Alex Cross 07 - Stunde der Rache
Mittag aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Vielleicht bin ich übermüdet. Der Pathologe in Luis Obispo hat versprochen, uns heute Nachmittag einen Bericht zu schicken. Aber hören Sie sich das mal an: Gerade habe ich eine E-Mail aus Quantico erhalten. In Kalifornien und Nevada hat es acht Morde gegeben, die gewisse Ähnlichkeiten mit denen im Golden Gate Park aufweisen. Nicht alle Opfer wurden aufgehängt, aber sie wurden gebissen. Die Fälle liegen bis zu sechs Jahre zurück. Sie recherchieren aber noch weiter zurück.« »In welchen Städten?«, fragte ich sie.
Sie blickte auf ihre Notizen. »Sacramento – unsere geschätzte Hauptstadt. San Diego. Santa Cruz. Las Vegas. Lake Tahoe. San Jose. San Francisco. San Luis Opispo. Alex, das Ganze ist so verdammt unheimlich. Nur ein Mord wie dieser würde mir bereits einen Monat schlaflose Nächte bescheren.«
»Plus der Mord in Washington«, sagte ich. »Ich werde das FBI bitten, auch die Ostküste zu überprüfen.«
Sie lächelte schelmisch. »Das habe ich bereits getan. Sie sind schon dran.«
»Und was machen wir in der Zwischenzeit?«, neckte ich.
»Was Polizisten immer tun, wenn sie warten. Doughnuts essen und Kaffee trinken«, sagte sie und verdrehte die dunkelbraunen Augen. Sie hatte eine natürliche, anziehende Schönheit – selbst nach nur ein paar Stunden Schlaf.
Wir gingen zu einem späten Frühstück zu Roma's, gleich um die Ecke. Wir sprachen über den Fall, dann stellte ich ihr Fragen über Fälle, die sie bereits gelöst hatte. Jamilla hatte viel Selbstvertrauen, aber sie war auch bescheiden, was ihre Leistung betraf. Das gefiel mir an ihr. Auf keinen Fall war sie von sich eingenommen. Nachdem sie das Omelette und den Toast gegessen hatte, saß sie da und trommelte nervös mit den Fingern auf der Tischplatte. Sie hatte mehrere Eigenheiten. Meist schien sie unter Hochspannung zu stehen. Ich wusste, dass sie
in Gedanken wieder bei der Arbeit war.
»Was ist los?«, fragte ich schließlich. »Sie halten doch etwas zurück, richtig?«
Sie nickte. »Ich habe von KRON-TV einen Anruf erhalten. Sie wollen darüber eine Sendung machen, dass es in Kalifornien mehrere Morde gegeben hat.«
Ich runzelte die Stirn. »Wie, zum Teufel, haben sie das herausgefunden?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wer weiß? Ich werde einem Reporter vom Examiner , den ich kenne, grünes Licht geben, die Story als Erster zu bringen.«
»Moment mal!«, sagte ich. »Sind Sie sicher, dass das eine gute Idee ist?«
»Ja, ganz sicher. Ich vertraue meinem Freund. Er wird die Geschichte nämlich den Tatsachen gemäß schreiben. Und jetzt bitte ich Sie, mir zu helfen. Gibt es etwas, das die Mörder in der Zeitung lesen sollen? Zumindest das kann mein Freund für uns tun.«
Als wir ins Präsidium zurückkamen, erwarteten uns schlechte Neuigkeiten. Die Mörder hatten erneut zugeschlagen.
16
W ieder ein bestialischer Mord.
Wieder Aufhängen. Zwei Opfer. Jamilla und ich trennten uns sofort, als wir am Tatort in Mill Valley ankamen. Wir hatten unterschiedliche Methoden, einen Tatort zu untersuchen. Aber aus unerfindlichem Grund hoffte ich, dass wir hier bei denselben Schlussfolgerungen landen würden. Ich sah bereits die Zeichen – allesamt schlimm.
Die beiden Leichen hingen mit den Köpfen nach unten an einem Gestell, auf dem Kupfertöpfe standen. Der Tatort war eine moderne Küche in einer sehr großen, sehr teuren Villa. Dawn und Gavin Brody waren etwa Mitte dreißig. Wie die anderen Opfern waren sie weitgehend ausgeblutet.
Der erste seltsame Umstand: Obgleich die Brodys nackt waren, hatten die Mörder ihren Schmuck zurückgelassen. Zwei Rolex-Uhren, Trauringe, ein Verlobungsring mit großem Brillanten und mit unzähligen Brillanten besetzte Ohrringe. Die Mörder waren weder an Juwelen noch an Geld interessiert – oder war es möglich, dass sie uns das wissen lassen wollten? Wo war die Kleidung der Opfer? Hatte man damit das Blut aufgefangen? Hatten die Mörder deshalb die Kleidung mitgenommen?
Offenbar hatten sie die Brodys, beide erfolgreiche Anwälte, bei der Zubereitung des Abendessens überrascht. Spielte dabei ein gewisser Symbolismus eine Rolle? Oder schwarzer Humor? War es Zufall, oder hatten sie das Paar absichtlich beim Abendessen überfallen? Die Reichen als Essen?
Mehrere Polizisten des kleinen Orts und die Spurentechniker vom FBI drängten sich mit uns in der Küche. Meiner Meinung nach hatte die Polizei von Mill Valley bereits Schaden angerichtet. Sie
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