Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
schon.«
Jamilla zögerte, und ich stellte fest, dass ich den Atem anhielt. Vielleicht wollte sie mich nicht Wiedersehen. Doch dann sagte sie: »Ich kann mir ein paar Tage freinehmen. Ich würde dich sehr gern Wiedersehen. Abgemacht, ich komme nach Washington. Ich war nicht mehr dort, seit ich ein Kind war.«
»Das ist ja nicht so lange her.«
»Danke, das ist niedlich.« Sie lachte.
Mein Herz flatterte ein bisschen, als wir dieses Rendezvous ausmachten. Abgemacht, ich komme nach Washington. Den Rest des Abends rief ich mir immer wieder Jamillas Worte ins Gedächtnis zurück. Sie waren ihr so glatt von der Zunge gerollt, als hätte sie es gar nicht erwarten können, sie auszusprechen.
15
Am nächsten Morgen erhielt ich schon früh einen Anruf von einer Freundin im FBI. Ich hatte Abby DiGarbo gebeten, die Mietwagenfirmen in der Gegend auf irgendwelche Unregelmäßigkeiten hin zu überprüfen, die sich in der Woche der Morde ereignet hatten. Ich hatte ihr auch gesagt, dass es sehr dringend sei. Abby hatte bereits eine Firma gefunden.
Hertz hatte man bei der Vermietung eines Ford Explorer betrogen, die Rechnung nie bezahlt. Abby hatte nachgebohrt und eine interessante Dokumentenspur entdeckt. Sie erklärte mir, dass es gar nicht leicht sei, eine Mietwagenfirma zu betrügen.
Das waren für uns gute Nachrichten. Für den Betrug hatte der Kunde eine gefälschte Kreditkarte und einen falschen Führerschein vorlegen müssen, auf dem alles stimmen musste, eingeschlossen die Personenbeschreibung des Fahrers, der einen Wagen mieten wollte.
Ein Hacker war in den Personalcomputer eingedrungen und hatte sich eine falsche Identität herausgeholt, die auf der Kreditkarte benutzt wurde. Diese Information wurde nach Brampton, Ontario, weitergegeben, wo die falsche Kreditkarte hergestellt worden war. Dann holte man sich von der Website Photoidcards.com den passenden Führerschein. Sie schickte mir sogar ein Foto, das gerade vor mir lag.
Weiß, männlich, im Gesicht nichts Auffälliges. Doch das war wahrscheinlich von einem Visagisten verfälscht worden.
Das FBI suchte weiter, ob noch mehr dahinter steckte. Es war immerhin ein Anfang. Jemand hatte keine Kosten und Mühen gescheut, um in Fayetteville einen Wagen unter falschem Namen zu mieten. Und – dank Abby DiGarbo – hatten wir das Foto dieses Mannes .
Auf der Fahrt zu Sergeant Coopers Haus berichtete ich Sampson über den Mietwagenbetrug. Sampson trank dampfend heißen Kaffee und aß ein Eclair von Dunkin Donuts, hörte aber aufmerksam zu. »Deshalb habe ich dich gebeten, bei diesem Fall zu helfen«, erklärte er.
Cooper wohnte in einer kleinen Wohnung mit zwei Schlafzimmern in einer Hälfte eines Doppelhauses aus rotem Backstein in Spring Lake, nördlich von Fort Bragg. Ich sah das Schild: VORSICHT! ANGRIFFSLUSTIGE KATZE!
»Er hat Sinn für Humor«, meinte Sampson. »Zumindest früher mal.«
Wir hatten den Schlüssel und öffneten die Vordertür. Dann traten Sampson und ich ein. Im Haus roch es nach so langer Zeit immer noch nach Katze.
»Wie schön, dass uns zur Abwechslung mal keiner stört«, sagte ich. »Kein FBI, keine örtliche Polizei.«
»Der Mörder ist gefasst, der Fall abgeschlossen«, sagte Sampson. »Da kümmert sich kein Mensch um uns. Und Cooper sitzt in der Todeszelle, und die Uhr tickt.«
Offenbar hatte sich noch niemand Gedanken gemacht, was mit der Wohnung geschehen sollte. Ellis Cooper hatte die Doppelhaushälfte vor etlichen Jahren gekauft. Nach seiner Pensionierung wollte er in Spring Lake seinen Lebensabend verbringen.
Auf dem Tisch in der Diele standen Fotos von Cooper mit Freunden an verschiedenen Orten: Hawaii, Südfrankreich, vielleicht Karibik. Außerdem ein neueres Foto von Cooper, auf dem er eine junge Frau umarmte, die wohl seine Freundin Marcia war. Die Möbel in der Wohnung wirkten gemütlich, nicht teuer, wahrscheinlich hatte er sie in Geschäften wie Target und Pier 1 gekauft.
Sampson rief mich an ein Fenster. »Sieh dir das an. Hier wurde eingebrochen. Jemand könnte sich Coopers Messer geholt und später zurückgebracht haben. So könnte es gewesen sein. Coop hat gesagt, er hätte das Messer im Wandschrank in seinem Schlafzimmer aufbewahrt. Die Polizei behauptet, das Messer auf dem Dachboden gefunden zu haben.«
Als Nächstes gingen wir ins Schlafzimmer. An den Wänden hingen weitere Fotos, meist von Orten, wo Cooper Dienst gehabt hatte: Vietnam, Panama, Bosnien. Eine Gewichtheberbank stand dicht vor einer Wand. Neben dem
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