Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
hattest du an eine Fahrt mit dem Zug nach Baltimore gedacht?«, meinte sie und lachte über ihren eigenen Scherz. Sie war eine komische Dame und hatte schon immer Humor gehabt.
»Ich habe etwas Geld gespart«, sagte ich.
»Ich auch«, erklärte sie. »Was ist mit Jamilla? Was ist mit deinem Job?«
»Es wäre schön, wenn Jamilla sich ein paar Tage freinehmen könnte, aber sie liebt ihre Arbeit.«
»Klingt irgendwie bekannt, richtig? Wie geht’s deiner Murmelsammlung? Vielleicht sollte ich ihr auch zwei Gläser kaufen.«
Ich lachte. Dann ging ich zu ihr und legte die Arme um Nana.
»Ich liebe dich, alte Frau«, sagte ich. »Das sage ich dir nicht oft genug, und wenn ich es tue, dann nicht mit der Leidenschaft, die ich empfinde.«
»Das hört sich gut an«, meinte sie. »Manchmal kannst du so lieb sein. Ich liebe dich auch, und ich sage es immer mit der Leidenschaft, die ich empfinde.«
»Fühlst du dich wohl?«, fragte ich.
»Heute schon, wie’s morgen aussieht, weiß niemand.« Sie zuckte die Schultern. »Ich mache jetzt Lunch. Frage nicht, ob du helfen kannst. Mir geht’s gut, noch bin ich auf der richtigen Seite vom Rasen.«
Nach dem Lunch ging ich wieder hinauf in mein Arbeitszimmer auf dem Speicher, um über die nächsten Schritte nachzudenken. Ein Fax wartete auf mich. Ich drohte ihm mit dem Finger.
Es war eine Kopie eines Artikels im Miami Herald . Ich las von der Hinrichtung in der vergangenen Nacht im Staatsgefängnis von Florida, in Starke. Der Mann hieß Abraham Tichter und war in Vietnam bei den Special Forces gewesen.
Unter den Artikel hatte jemand gekritzelt: Unschuldig bei diesen Morden in Florida. Fälschlicherweise angeklagt, verurteilt und hingerichtet. Mit Abraham Tichter sind es sechs, falls Sie nicht mitgezählt haben.
Fußsoldat
Ich zählte mit.
90
Seit Nanas Schwächeanfall erledigte ich das Einkaufen und die meisten Arbeiten im Haushalt. Für gewöhnlich nahm ich Klein-Alex mit zu dem Safeway an der Fourth Street. Das machte ich am frühen Nachmittag.
Ich trug ihn auf den Schultern durch die Küchentür zum Auto.
Alex lachte und plapperte wie immer. Der Junge hält nie den Mund oder sitzt still. Er ist ein Springball aus purer Energie, und ich kann nicht genug von ihm kriegen.
In Gedanken war ich immer noch bei der letzten Botschaft von Fußsoldat. Ich weiß gar nicht, wie es kam, dass mir der schwarze Jeep auffiel, der die Fifth hinunterfuhr.
Er fuhr etwa dreißig Meilen, knapp über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit.
Ich weiß nicht, weshalb ich ihm so viel Aufmerksamkeit schenkte, aber ich tat es. Ich ließ ihn nicht aus den Augen, als er sich mir und Klein-Alex näherte.
Plötzlich ragte der Lauf einer schwarzen Tec aus dem Seitenfenster des Jeeps. Ich nahm Klein-Alex von den Schultern und warf mich zu Boden und über den Kleinen. Dann begann die Schießerei.
Peng, peng, peng, peng.
Ich robbte über den Rasen und schützte meinen Sohn mit dem linken Arm. Dann schleppte ich ihn hinter einen dicken Baum. Ich brauchte Deckung gegen den Schützen.
Ich hatte das Innere des Jeeps nicht deutlich erkennen können, hatte aber gesehen, dass der Fahrer und der Schütze weiß waren. Zwei – nicht drei.
Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich bei den beiden um die Männer aus Rocky Mount handelte. Aber wer sollte es sonst sein? Die Scharfschützen aus West Point? Waren es dieselben Männer? Was geschah jetzt auf der Fifth Street? Wer hatte das befohlen?
Peng, peng, peng, peng.
Peng, peng, peng, peng.
Kugeln bohrten sich in die Wände des Hauses, ein Vorderfenster zersplitterte. Irgendwie musste ich den Angriff stoppen.
Aber wie? Ich kroch zur Veranda. Ich schaffte es vor der nächsten Salve.
Peng, peng, peng, peng.
Unglaublich, selbst hier im Southeast.
Ich schob Alex hinter die Veranda. Er schrie wie am Spieß.
Armer kleiner verängstigter Junge. Ich hielt ihn zu Boden gedrückt. Dann hob ich den Kopf und wagte einen kurzen Blick auf den Jeep, der jetzt vor meinem Haus stand.
Peng, peng, peng, peng.
Ich erwiderte das Feuer. Drei sorgfältig gezielte Schüsse, um niemanden in der Nachbarschaft zu verletzen. Dann noch zwei Schüsse. Ja ! Ich wusste, dass ich den Schützen erwischt hatte.
Möglicherweise in die Brust, aber wahrscheinlich in die Kehle.
Ich sah, wie er zurückgeschleudert wurde und dann auf dem Sitz zusammensank. Es kamen keine weiteren Schüsse.
Und dann raste der Jeep unvermittelt mit quietschenden Reifen davon und schlitterte um
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