Alex Rider 08: Crocodile Tears
Party bis Sonnenaufgang dauerte.
»Wir sind hier, um zu feiern«, fuhr McCain fort. »Darüber sollten wir jedoch die vielen Katastrophen nicht vergessen, die überall auf der Welt passieren, und die vielen Millionen Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Ich habe die Freude, Ihnen mitzuteilen, dass dank der Eintrittskarten, der Tombola, unserer stillen Auktion und privater Spenden sage und schreibe die fantastische Summe von vierhundertfünfundsiebzigtausend Pfund zusammengekommen ist. Der Erlös geht an First Aid.«
Erneut brach Applaus aus. Alex schämte sich. McCain mochte in der Vergangenheit Fehler begangen haben, aber er hatte sie mehr als wiedergutgemacht. Der Zweck dieser Veranstaltung war es, anderen Menschen zu helfen, und Alex hatte sie seinem Gastgeber unabsichtlich verdorben.
McCain hob die Hand. »Ich habe keine Ahnung, wofür dieses Geld verwendet werden wird, aber Gott sei Dank ist es da.« Er betonte das Wort »Gott«, als sei er mit dem Allmächtigen persönlich befreundet. »Im vergangenen Jahr hatten wir die schreckliche Flutkatastrophe in Malaysia, den Vulkanausbruch in Guatemala und zuletzt den Reaktorunfall in Indien, der noch sehr viel schlimmer hätte ausgehen können. Wir waren als Erste zur Stelle und das Geld ging direkt an die Bedürftigen. Wir sollen einander lieben, denn die Liebe ist das Band, das alles vollkommen macht , heißt es im Kolosserbrief. Egal wo das Unglück das nächste Mal zuschlägt, wir stehen berei t …«
Edward Pleasure hatte die Mäntel geholt. Sabina war bereits in ihren hineingeschlüpft. Ein Kellner hielt ihnen die Tür auf. Draußen erwartete sie heftiges Schneetreiben und eine eisige Nacht. Es war Zeit zu gehen. Alex blickte ein letztes Mal zurück und hatte plötzlich das Gefühl, dass Desmond McCain ihn über die im Saal versammelten Gäste hinweg ansah.
»Alex?«, rief Sabina.
Sie traten aus der Wärme nach draußen und eilten zum Auto, das Edward mithilfe der Fernbedienung an seinem Schlüsselanhänger aufschloss. Einladend orange leuchteten die Blinklichter in der Dunkelheit. Es hatte den ganzen Abend über geschneit. Eine dicke Schneedecke lag auf dem Boden und den Dächern der Autos. Wenn es weiter so schneite, kam Sabina am Ende doch noch zu ihrem Skiurlaub.
Sie stiegen rasch ein und zogen die Türen zu. Wieder war Alex froh über den Geländewagen. Sie konnten ihn in dieser Nacht gut gebrauchen.
»Was für ein Wetter!«, murmelte Edward, als hätte er Alex’ Gedanken gelesen. Er drehte den Schlüssel im Zündschloss und der Motor begann beruhigend zu brummen. Dann stellte er die Heizung auf die höchste Stufe. Alex hatte wieder neben ihm Platz genommen, Sabina saß hinten. »Leider werden wir Neujahr auf der Straße erleben«, sagte Edward. »Wir werden mindestens eine Stunde bis nach Hause brauchen.«
»Mir egal.« Sabina entwirrte bereits die Kabel ihres iPod. »Ich fand diese Burg irgendwie gruselig.«
»Aber du gehst doch gern auf Partys.«
»Schon, Dad, aber nicht, wenn ich zweihundert Jahre jünger bin als alle anderen.«
Sie fuhren an und die Reifen knirschten auf dem Neuschnee. Das Schneetreiben hatte Gott sei Dank ein wenig nachgelassen. Die Haarnadelkurven zur Hauptstraße am Seeufer waren auch so noch gefährlich genug. Alex warf einen Blick auf die Burg, die schwarz hinter ihnen aufragte. Durch die Fenster des Festsaals fiel Kerzenlicht. Er stellte sich vor, wie McCains Rede zu Ende ging, Luftballons aufstiegen, die Gäste sich küssten und sangen und trinkend und tanzend das neue Jahr begannen. Gut, dass sie früher gegangen waren. So schön Alex Schottland fand, auf der Party hatte er sich genau wie Sabina unwohl gefühlt. Er lockerte seine Fliege und zog sie über den Kopf. Lieber hätte er den Abend zu Hause verbracht.
Der Unfall kam so plötzlich und unerwartet, dass sie erst begriffen, was geschah, als es schon fast vorbei war. Alex behielt von der Bergabfahrt nur einzelne Bilder in Erinnerung. Edward hatte einen Gang hochgeschaltet und ein wenig beschleunigt. Wie schnell waren sie gefahren? Höchstens vierzig Stundenkilometer. Die Scheinwerfer durchschnitten die Nacht wie zwei Säulen. Sabina sagte etwas und Alex wandte den Kopf, um ihr zu antworten.
Dann hörte er einen Knall wie aus weiter Ferne. Ein Zittern lief durch den Wagen und er brach zur Seite aus. Sabina schrie.
Keiner von ihnen konnte etwas tun. Es war, als hätte eine riesige Hand das Hinterteil des Wagens gepackt und würde ihn nun wie ein Spielzeugauto
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