Alex Rider 08: Crocodile Tears
lange, silbern glänzende Kamine. Etwas abseits gelegen sah Alex ein elegantes, weiß getünchtes Haus, eine Art Empfangsgebäude oder Hörsaal. Unmittelbar neben dem Eingangstor befand sich ein gedrungenes, kubusförmiges Gebäude, auf dem SICHERHEITSDIENST stand. Doch Alex’ Aufmerksamkeit wurde vor allem von dem Bauwerk im Zentrum des Komplexes beansprucht.
Es handelte sich um eine riesige gläserne Kuppel wie aus einem Science-Fiction-Film, die mit Pflanzen gefüllt war. Alex konnte die Wedel zwanzig bis dreißig Meter hoher Palmen erkennen, die an das Glas drückten, und ein Gewirr dicht belaubter Ranken von Kletter- und Schlingpflanzen. Die Kuppel war durch vier gläserne, wie die Himmelsrichtungen eines Kompasses angeordnete Korridore mit den anderen Gebäuden verbunden. Eine Biosphäre, dachte Alex. Er wusste nicht, woher er den Ausdruck hatte, aber er schien zu passen.
Alles wirkte nagelneu. Ein Netz schwarz geteerter Straßen schnitt durch exakt rechtwinklige, frisch gemähte Rasenflächen. Vielleicht war das Gras aber auch genetisch programmiert, nur bis zu einer bestimmten Höhe zu wachsen. Elektrowagen beförderten lautlos Männer und Frauen von einem Ort zum anderen. Einige – wahrscheinlich die Wissenschaftler – trugen weiße Kittel, andere dunkle Anzüge. Die Wachen hatten grüne Tarnjacken an, als müssten sie daran erinnert werden, dass es hier um die Umwelt ging. An Dutzenden von Stangen und an den Mauern der verschiedenen Gebäude hingen Scheinwerfer und modernste Überwachungskameras, die in alle möglichen Richtungen zeigten. Nicht einmal eine Wespe oder Biene konnte hier unbemerkt vorbeikommen.
Im Bus begann etwas laut zu pfeifen. M r Gilbert hatte die Sprechanlage eingeschaltet.
»Lasst euch bitte nicht durch die vielen Sicherheitsvorkehrungen einschüchtern«, sagte er. Dabei klang er allerdings selbst leicht verunsichert. »Ein Großteil der Arbeit hier in Greenfields wird streng von der Außenwelt abgeschirmt. Das Unternehmen muss sich vor der Konkurrenz und vor Journalisten schützen. Zudem dürfen einige der Pflanzen, die hier wachsen, auf keinen Fall ins Freie gelangen. Leider müssen wir uns beim Betreten der Anlage durchsuchen lassen, es wird aber hoffentlich nicht allzu lange dauern. Denkt bitte daran, Kameras und Mobiltelefone im Bus zu lassen. Sie sind dort vollkommen sicher und dürfen nicht mitgenommen werden.«
Alle stöhnten laut, doch als sie sich dem Tor näherten, begannen sie, ihre Rucksäcke zu öffnen und Fotoapparate und Handys herauszunehmen. Sie machten nicht zum ersten Mal eine Klassenfahrt, aber Sicherheitsbeamte mit Pokerface und Personenkontrollen waren etwas Neues.
»Du weißt hoffentlich, was du tust«, murmelte Tom und warf Alex einen besorgten Blick zu.
Alex schwieg. Blunt hatte von einem kinderleichten Auftrag gesprochen. Für dich eigentlich eine Unterforderung. War das schon wieder eine Lüge gewesen? Überrascht hätte es ihn nicht.
Der Bus bremste vor dem Tor ab. Es glitt auf und sie fuhren weiter bis zu einer Haltebucht. Jemand klopfte an die Tür und der Fahrer öffnete sie. Eine schmächtige Frau stieg ein. Sie lächelte nicht. M r Gilbert stand auf und hielt ihr die Hand hin, aber die Frau ignorierte sie.
»Guten Tag«, sagte sie. Ihre Stimme klang abgehackt und künstlich, wie bei einer Waage mit Ansage. »Willkommen im Greenfields Bio Centre. Ich bin hier Abteilungsleiterin.« Sie machte eine Pause und ließ den Blick über die Schüler wandern, als wollte sie sich ihre Gesichter einprägen. »Mein Name ist Dr . Myra Bennett und ich betreue euch während eures Besuchs.«
Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Sie war eine herbe, sehr männlich wirkende Frau in einem weißen Laborkittel. Ihr Gesicht spiegelte keinerlei Gefühlsregung wider, sodass man sie sich nur schwer bei einer Beschäftigung vorstellen konnte, die nichts mit Büchern, Bunsenbrennern und Chemikalien zu tun hatte. Sie hatte leuchtend blonde, kurz geschnittene Haare mit einem Pony, der quer über ihrer Stirn hing und dessen letzte Strähne ihr linkes Auge berührte. Dazu kam eine runde Brille mit einem goldenen Gestell, das billig wirkte und ihr nicht sonderlich stand. Ihr Aussehen schien ihr überhaupt egal zu sein. Sie trug kein Make-up und keinen Schmuck und legte auch keinen Wert auf Höflichkeit.
»Wir hatten noch nie Besuch von einer Schulklasse«, fuhr sie fort. »Fotografieren und sonstige Aufnahmen sind verboten. Wenn ihr aus dem Bus kommt, werdet ihr durchsucht.
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