Alex Rider 08: Crocodile Tears
Zentrum vorzeitig verlassen müsste. Bitte fasst nichts an. Ihr werdet in die Nähe vieler Chemikalien und Pflanzen kommen, die gefährlich sind. Noch Fragen?«
»Was ist da drin?«, rief jemand.
Dr . Bennett drehte sich um und betrachtete das kuppelförmige Gewächshaus. Ihre Augen hinter den runden Brillengläsern blitzten auf.
»Das ist unser Dom der Gifte«, erklärte sie. »Greenfields erforscht seit vielen Jahren natürliche Gifte, also Toxine wie Rizin und Botulin, die in der Natur vorkommen und für den Menschen tödlich sein können. Im Dom der Gifte wachsen einige der giftigsten Pflanzen unseres Planeten, zum Beispiel der Wasserschierling, die Tollkirsche, der Aronstab, der Knollenblätterpilz und der Wunderbaum. Der Manzinellenbaum hat schöne Früchte, die ihr vielleicht gerne essen würdet. Euer sofortiger Tod wäre die Folge. Der aus der Rinde tropfende Milchsaft führt auf der Haut zu Bläschen und im Auge zum Erblinden. Die Blätter der Ongaonga aus Neuseeland verursachen schon bei bloßer Berührung hässliche Verbrennungen.
Vielleicht interessiert es euch auch, dass die gemeine Brennnessel – Urtica dioic a –, die sicher bei einigen von euch im Garten wächst, beim Stechen fünf Neurotransmitter in euch hineinspritzt. Die gentechnisch veränderte Brennnessel im Dom der Gifte sticht euch mit fünfhundert Neurotransmittern. Ich würde euch ja gern beschreiben, wie qualvoll ein solcher Tod ist, aber dazu fehlt mir offen gesagt die Fantasie.«
Sie zog ein Papiertaschentuch heraus und drückte es kurz an die Lippen.
»Ganz besonders spannend ist für uns, wie die verschiedenen Gifte miteinander reagieren«, fuhr sie fort. »Im Dom der Gifte sind deshalb auch Tiere anzutreffen, darunter der Blaue Baumsteiger oder Pfeilgiftfrosch, dessen Haut ein tödliches Gift absondert, die Bananenspinne, die Taipanschlange und die Kegelschnecke. Ein einziger Tropfen ihres Schleims tötet einen Elefanten.«
Dr . Bennett machte eine Pause und ließ den Blick über die Schüler schweifen. »Wer den Dom der Gifte besichtigen will, lasse es mich wissen. Der Besuch wird wahrscheinlich nicht länger als fünfzehn Sekunden dauern. Dann wird derjenige eines schrecklichen Todes sterben.«
Niemand sagte etwas. Die Musiklehrerin Miss Barry war kreidebleich geworden.
»Gut. Dann gehen wir jetzt zu den Labors. Ich werde eure Lehrer auffordern, beim Betreten der Labors und dann wieder beim Verlassen eure Anwesenheit zu überprüfen.«
Tom Harris warf Alex einen Blick zu. Seine Bedenken schienen immer größer zu werden. Alex zuckte mit den Schultern. Ihm fiel ein, was Blunt über den Tod des Informanten Philip Masters erzählt hatte. Die Leiche sei bis zur Unkenntlichkeit entstellt gewesen. Alex konnte sich inzwischen vorstellen, wie Masters zu Tode gekommen war. Er selbst würde jedenfalls einen großen Bogen um den Dom der Gifte machen.
Sie gingen zu einem mehrstöckigen Gebäude mit einem stählernen Kamin, aus dem ein Rauchfaden in den Himmel stieg. Dr . Bennett öffnete die Tür mithilfe einer Magnetstreifenkarte, die ihr um den Hals hing. Sie betraten einen leeren, steril wirkenden Korridor. M r Gilbert überprüfte ihre Anwesenheit und sie marschierten weiter. Alex ließ sich ans Ende der Gruppe zurückfallen. Als sie an einer Toilette vorbeikamen, versetzte er Tom einen Stoß. Tom nickte und Alex trat einen Schritt zur Seite, drückte die Tür mit seinem Gewicht auf und verschwand dahinter. Plötzlich stand er ganz allein in einem weiß gefliesten Raum, vor sich zwei Waschbecken und zwei Spiegel. Er wartete, bis die Stimmen und Schritte der anderen nicht mehr zu hören waren. Niemand hatte ihn verschwinden sehen. Es war Zeit, sich an die Arbeit zu machen.
Er zog die Postkarte heraus, stellte sich ans Waschbecken, befeuchtete ein Papierhandtuch und wischte damit über das Bild. Der Eiffelturm löste sich mitsamt seiner Umgebung auf. Darunter kam ein detaillierter Lageplan des Biozentrums mit sämtlichen Gebäuden und Gängen zum Vorschein. Auf der Karte blinkten zwei kleine Lämpchen, das eine rot, das andere grün. Sie zeigten an, wo er sich befand und wohin er musste.
Alex lauschte einen Moment lang. Sobald er sich überzeugt hatte, dass niemand draußen war, schlüpfte er auf den Gang hinaus. Die Postkarte hielt er in der Hand. Dem Plan zufolge lag Straiks Büro im Nachbargebäude. Die beiden Bauten waren durch einen Steg miteinander verbunden, Alex brauchte also nicht wieder ins Freie hinauszugehen.
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