Alex Rider 08: Crocodile Tears
das Vorhängeschloss zu. Die Typen waren fertig. Sie hatten das Licht angelassen, aber das Eingangstor abgesperrt. Ihre Schritte entfernten sich, kurz darauf wurde ein Auto gestartet. Alex konnte nur hoffen, dass die Halle noch einen anderen Ausgang besaß.
Er richtete sich auf und ging seitlich um die Leinwand herum. Schlagartig befand er sich nicht mehr in London und auch nicht länger in einem heruntergekommenen Industriegebiet am Flughafen, sondern in Afrika.
Er war noch nie in Afrika gewesen, doch die Szenerie war eindeutig. Fensterlose Lehmhütten mit Strohdächern standen dicht nebeneinander auf einem staubigen, von einem Palisadenzaun umgebenen Platz. An einer Wäscheleine zwischen zwei verkrüppelten Akazien hingen einige alte, leuchtend bunte Kleidungsstücke. Daneben war ein Brunnen, um den einige Töpfe, Pfannen und Blechteller verstreut lagen. Ein wie ein Blatt geformter Schild und zwei hölzerne Speere lehnten an einer Tür, als bewachten sie den Eingang.
Erst als er den Kopf hob, verflog die Illusion. Von einer Scheinwerferbrücke strahlten elektrische Bogenlampen auf ihn herab. Sie erzeugten das Licht und die Wärme eines afrikanischen Sommertags. Die riesige Leinwand war in Wirklichkeit ein Hintergrundbild aus grünem Stoff. Alex verstand genug vom Filmen, um zu wissen, dass ein Computer alles Mögliche auf den Hintergrund projizieren konnte. Wenn man den entsprechenden Schalter drückte, lag das Dorf im Urwald, in einer Wüste oder unter einem wolkenlosen blauen Himmel.
Aber was für ein Film wurde hier gedreht? Mit einem Schauer bemerkte Alex, dass das Dorf bevölkert war, allerdings nicht von lebenden Wesen. Drei tote Kühe lagen steifbeinig und mit aufgeblähten Bäuchen auf der Seite und starrten mit glasigen Augen ins Leere. Sie mussten aus Kunststoff bestehen, denn es war nichts zu riechen und sie wurden nicht von Fliegen umschwärmt wie echte Kadaver. Das nahm der Szene jedoch nicht den Schrecken. Ihrem Aussehen nach zu schließen wären sie, wenn es sich um echte Kühe gehandelt hätte, qualvoll verendet.
Es gab noch weitere Tiere. Gegen seinen Willen fasziniert, ging Alex auf dem Set hin und her und entdeckte einen großen Vogel, vielleicht einen Adler, von dem allerdings nur noch ein staubiges Häufchen Knochen und Federn übrig war. Am Rand des Dorfes angekommen, begegnete er dem ersten Menschen, einem zwei oder drei Jahre alten schwarzen Jungen, der zusammengerollt auf dem Boden lag und seinen streichholzdünnen Arm über die Augen gelegt hatte. Alex wurde übel. Natürlich handelte es sich um eine Puppe, kein wirkliches Kind. Aber wer dachte sich so etwas aus? Und warum?
Er hatte genug gesehen. Den Gründen konnte er auch später noch nachgehen. Jetzt wollte er raus an die frische Luft. Er blickte sich um und fand eine zweite Tür in einer anderen Hallenwand. Er drückte die Klinke herunter, aber sie war ebenfalls abgesperrt. Fenster gab es keine. Er guckte nach oben. In das Dach waren zwei vergitterte Oberlichter eingelassen, die er aber nicht erreichen konnte, selbst wenn er zu den Scheinwerfern hinaufkletterte. An metallenen Deckenstreben hing ein rechteckiger Lüftungsschacht, der sich durch die gesamte Halle zog. Womöglich erreichte Alex die Oberlichter, wenn er auf diesen Schacht kletterte. Aber selbst dann – wie sollte er die Gitterstäbe durchschneiden?
Vielleicht konnte er sie sprengen. Er hatte immer noch den zweiten Gelroller von Smithers. Gerade wollte er den Rucksack abnehmen, da fiel ihm ein, dass er das Federmäppchen mit dem Roller und dem Taschenrechner neben seinem Bett hatte stehen lassen. Er überprüfte wieder sein Handy. Immer noch kein Empfang. Es sah so aus, als müsste er hier warten, bis jemand kam.
Dann stand plötzlich alles in Flammen.
Alex wusste nicht, was ihn mehr erschreckte: dass kein Laut zu hören war oder dass alles so unerwartet geschah. Der Boden tat sich auf und wie aus unterirdischen Röhren schossen Flammen heraus. Alex kam sich vor wie auf einem Minenfeld. Nacheinander explodierte ein halbes Dutzend Sprengsätze, vermutlich Brandbomben. Alex wurde auf den Boden geworfen. Wenn eine Bombe direkt unter ihm explodierte, war er tot. Er hob die Arme vor die Augen, um sie vor der Hitze zu schützen.
Jetzt wusste Alex, was Dr . Bennett und die beiden Männer hier zu suchen gehabt hatten. Den Laden dichtmachen hieß, ihn zu zerstören. Offenbar hatten die drei bei seiner Ankunft gerade die Vorbereitungen zur Sprengung abgeschlossen. Sie war
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