Alex Rider 4/Eagle Strike
lief in den Zentralbahnhof von Amsterdam ein und bremste quietschend. Alex hatte während der Fahrt ganz allein in einem Abteil gesessen und das Gesicht an die kühle Fensterscheibe gepresst. Er hatte keinen Blick für die langen, fast menschenleeren Bahnsteige übrig und auch nicht für die riesige Bahnhofshalle, die sich hoch über ihm wölbte. Dazu war er viel zu erschöpft. Es war schon nach Mitternacht; natürlich war ihm klar, dass Jack immer noch im Hotel auf ihn wartete und wahrscheinlich vor Angst bereits durchdrehte. Er musste unbedingt so schnell wie möglich zu ihr. Plötzlich sehnte er sich danach, umsorgt zu werden. Und er sehnte sich nach einem heißen Bad, heißem Kakao und nach seinem Bett.
Bei seinem ersten Besuch in Sloterdijk war er beide Strecken geradelt, aber dieses Mal hatte er sein Fahrrad am Bahnhof abgestellt, um Kraft zu sparen. Die Bahnfahrt war zwar nur kurz gewesen, aber er hatte sie schon deshalb genossen, weil mit jeder Sekunde der Abstand zu Damian Cray und seiner höllischen Computerfirma größer wurde. Außerdem brauchte er Zeit, um darüber nachzudenken, was seine Erlebnisse in den letzten Stunden bedeuten mochten. Ein Flugzeug, das in Flammen aufgegangen war. Das Gerede von einer VIP-Lounge. Irgendetwas über ein militärisches Satellitensystem. Ein Mann mit Pockennarben im Gesich t …
Außerdem hatte Alex immer noch keine Antwort auf die wichtigste Frage überhaupt: Wozu machte Cray das alles? Der Mann war doch unglaublich reich, er hatte Fans auf der ganzen Welt! Noch vor ein paar Tagen hatte ihm der Präsident der Vereinigten Staaten höchstpersönlich die Hand geschüttelt. Seine Musik plärrte immer noch aus dem Radio und seine Konzerte zogen immer noch Massen von Fans an. Und mit dem neuen Gameslayer-Spielsystem würde er noch einmal ein Riesenvermögen in seinen Geldspeicher karren können. Wenn es je einen Mann gab, der Verschwörungen und Morde überhaupt nicht nötig hatte, dann war es Cray.
Und Eagle Strike? Zwei Wörte r – aber was bedeuteten sie?
Der Zug kam zum Stillstand und die Türen öffneten sich zischend. Alex vergewisserte sich, dass der Flash Drive immer noch in seiner Hosentasche steckte, und stieg aus.
Zwar waren auf den Bahnsteigen kaum Leute zu sehen, aber die Bahnhofshalle war ziemlich stark belebt. Viele Studenten und junge Touristen waren mit den internationalen Zügen angekommen. Manche lagen schlafend auf dem Boden oder saßen mit ihren überdimensionalen Rucksäcken an die Wand gelehnt. Im harten, künstlichen Licht der Halle wirkten sie wie Schiffbrüchige. Alex schätzte, dass er ungefähr zehn Minuten brauchen würde, um zum Hotel an der Herengracht zu radeln. Wenn er sich, müde wie er war, überhaupt noch an den Weg erinnerte.
Schnell ging er durch die großen Glastüren und trat ins Freie. Sein Mountainbike stand immer noch an derselben Stelle, an ein Geländer gekettet. Er nahm das Kettenschloss a b – doch irgendetwas ließ ihn zögern. Er spürte die Gefahr, bevor er sie wirklich gesehen hatte. Das war etwas, das man ihm nie beigebracht hatte. Selbst sein Onkel, der ihn viele Jahre lang zum Spion erzogen hatte, hätte es nicht erklären können: diesen sicheren Instinkt, der ihm jetzt befahl zu verschwinde n – und zwar presto. Er blickte sich verstohlen um. Ein breiter Vorplatz mit Kopfsteinpflaster, in der Nähe glitzerte eine Wasserfläche, dahinter die Stadt. Ein Kiosk, der Bratwürste und Hot Dogs anbot und noch geöffnet war. Die Würste brutzelten leise auf dem Grill, aber der Verkäufer war nicht zu sehen. Mehrere Paare spazierten über die Brücken, die über die Kanäle führten, und genossen die warme, trockene Nachtluft. Darüber ein mitternachtsblauer Himmel.
Irgendwo schlug eine Uhr. Die Glocken hallten über die Stadt.
Dann fiel Alex ein Auto auf, das so geparkt war, dass sein Kühler zum Bahnhof wies. Und plötzlich gingen die Scheinwerfer an, zwei Lichtstrahlen, die wie Arme über den Platz nach Alex zu greifen schienen. Ein paar Sekunden später leuchteten auch bei einem anderen Fahrzeug die Scheinwerfer auf. Dann ein dritter Wagen. Alle drei Autos sahen gleich au s – zweisitzige Smarts. Und immer mehr Scheinwerfer richteten ihr gleißendes Licht auf Alex. Ringsum waren insgesamt sechs Smarts so geparkt, dass sie jeden Winkel des Bahnhofsvorplatzes abdeckten. Alle Autos waren schwarz; ihre kurze und eigenartig aufgeblähte Karosserie ließ sie wie Spielzeugautos aussehen. Aber Alex wusste mit absoluter
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