Alex Rider 5: Scorpia: Alex Riders fünfter Fall
vom Erdgeschoss nach ganz oben hatte genau dreißig Sekunden gedauert. In dieser Zeit hatte Alex die Motorradkluft ausgezogen. Darunter trug er weite schwarze Sachen: die traditionelle Kleidung des Ninja-Killers. Er nahm die Perücke ab und zog sich die Latexmaske mit einem Ruck vom Gesicht. Zuletzt entfernte er den Goldzahn aus seinem Mund. Die Tür glitt auf und Alex war wieder er selbst.
Man hatte ihn mit dem Grundriss des gesamten Gebäudes vertraut gemacht. Mr s Jones’ Appartement lag auf der rechten Seit e – und hier gab es zwei unverzeihliche Sicherheitsmängel. Das ganze Treppenhaus war mit zahllosen Überwachungskameras vollgestopft, aber im Flur gab es keine einzige. Der Agent vor der Wohnungstür hatte zwar den Korridor vollständig im Blick, konnte aber nicht in den Aufzug hineinsehen. Zwei Schwachstellen. Alex würde sich beide zunutze machen.
Der Agent im neunten Stock hatte den Aufzug gehört. Wie Lloyd und Ramirez war er noch neu in dem Job. Er fragte sich, warum sie den Lift hochgeschickt hatten. Doch bevor er sich über Funk danach erkundigen konnte, sah er auch schon einen blonden Jungen aus dem Aufzug treten. Alex’ Augen waren eiskalt und starr auf den MI6-Agenten gerichtet. In der Hand hielt er einen der Strohhalme, die die beiden Agenten unten zwar gesehen, aber nicht untersucht hatten. Er hatte ihn ausgepackt und führte ihn jetzt an seine Lippen. Dann blies er hinein.
Das Fukidake, das traditionelle Blasrohr der Ninja-Krieger, war eine tödliche Waffe. Ein nadelspitzer Pfeil, in eine große Arterie geschossen, konnte auf der Stelle töten. Es gab aber auch Pfeile, die innen hohl und mit Gift gefüllt waren. Ein Ninja konnte damit einen Gegner aus zwanzig Metern Entfernung vollkommen geräuschlos treffen. Doch Alex war viel näher. Zum Glück für den Agenten war der für ihn bestimmte Pfeil nur mit einem Schlafmittel gefüllt. Er traf ihn in die Wange. Der Agent öffnete den Mund zu einem stummen Schrei, starrte Alex verständnislos an und brach zusammen.
Jetzt musste alles sehr schnell gehen. Die beiden Agenten unten würden ihn in wenigen Minuten zurück erwarten. Er nahm die Colaflasche und machte sie au f – nicht den Deckel, sondern die Flasche selbst: Sie ließ sich in der Mitte aufklappen. Eine dunkelbraune Flüssigkeit ergoss sich auf den Teppichboden. In der Flasche befand sich ein in braune Plastikfolie gewickeltes Päckchen, das haargenau dieselbe Farbe hatte wie die Cola und daher von außen nicht zu sehen gewesen war. Alex riss es auf. Darin war eine Pistole.
Eine Kahr P9, eine Halbautomatik mit Spannabzug, hergestellt in Amerika. Sie war fünfzehn Zentimeter lang und wog, da sie aus Edelstahl und Kunststoff gebaut war, nur fünfhundert Gramm und war damit eine der kleinsten und leichtesten Pistolen der Welt. In das Magazin passten sieben Geschosse, aber um das Gewicht möglichst niedrig zu halten, hatte Scorpia es nur mit einem bestückt. Und mehr brauchte Alex auch nicht.
Er trug die Tasche mit der Pizza an dem schlafenden Agenten vorbei und trat vor Mr s Jones’ Wohnungstür, di e – so die Information von Scorpi a – durch drei Schlösser gesichert wurde. Er hob den Deckel der Pizzaschachtel, nahm drei schwarze Oliven von dem Belag und drückte je eine auf die Schlösser. Die Tragetasche hatte einen doppelten Boden. Er öffnete ihn und zog drei Drähte heraus, die er mit den Oliven verband. In den Boden der Tasche war ein Plastikkästchen eingebaut und daran war ein Knopf. Alex ging in die Hocke und drückte ihn. Die Oliven, die gar keine Oliven waren, explodierten fast lautlos und entfachten kleine grelle Stichflammen, die sich sofort in die Schlösser brannten. Der scharfe Geruch von geschmolzenem Metall stieg in die Luft. Die Tür schwang auf.
Alex umklammerte die Pistole und trat in einen großen Raum, an dessen hinterer Wand graue Vorhänge hingen. Ein Esstisch mit vier Stühlen, einige Ledersofas. Eine einzige Lampe tauchte den gesamten Raum in mildes gelbes Licht. Das Zimmer war modern und spärlich möbliert. Nur wenig darin sagte mehr über Mr s Jones aus als das, was er schon wusste. Selbst die Bilder an den Wänden zeigten lediglich abstrakte Farbkleckse, die nichts über die Bewohnerin verrieten. Dennoch gab es einzelne Anhaltspunkte. In einem Regal stand ein Foto von Mr s Jone s – aus früheren Zeiten, als sie noch lächeln konnt e – und zwei Kindern, ein Junge und ein Mädchen von etwa sechs und vier Jahren. Neffe und Nichte? Sie sahen ihr
Weitere Kostenlose Bücher