Alex Rider 7: Snakehead
doch eine Pause kommen, er brauchte unbedingt ein paar Sekunden für sich allein, ungestört: Zeit zum Nachdenken. Er war schweißgebadet. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen, und genau in diesem Moment griff Sunthorn an und ließ einen Hagel von Schlägen mit Ellbogen, Knien und Fäusten auf ihn niedergehen, von denen jeder einzelne ihn hätte umhauen können.
In den nächsten dreißig Sekunden wandte Alex jede Verteidigungstechnik an, die er jemals gelernt hatte, wusste aber zugleich, dass er sich im Grunde nur auf seinen Instinkt verließ, wenn er sich duckte und wegdrehte, während die Arenaund die schreienden Zuschauer und die rotierenden Ventilatoren um ihn zu kreisen schienen und die klebrige Hitze ihn von allen Seiten in die Zange nahm. Ein rechter Haken erwischte ihn an der Wange, sein Kopf flog herum und ein stechender Schmerz schoss ihm durch die Wirbelsäule. Und gleich darauf stieß ihm Sunthorn ein Knie in die Rippen. Alex knickte ein, er konnte nicht anders. Er krachte zu Boden, und genau in diesem Augenblick beendete ein Gongschlag die erste Runde.
Die Leute klatschten und johlten. Musik dröhnte los. Sunthorn sprang grinsend und winkend zurück, der Kampf machte ihm Spaß. Alex fühlte sich vollkommen kraftlos. Er sah die zwei Männer, die als seine Sekundanten fungierten und ihn heftig gestikulierend anschrien, er solle in seine Ecke kommen. Irgendwie kam er auf die Füße. Seine Nase blutete. Er schmeckte das Blut, das ihm aus dem Mund quoll.
Eine zweite Runde würde er nicht überstehen: Das stand fest. Seine Chancen waren gleich null. Aber er hatte sich etwas vorgenommen. Sunthorn war älter, größer, schwerer und erfahrener als er, und daher hatte Alex nur eine Möglichkeit, ihn zu besiegen: Er musste ihn einfach austricksen.
Gebranntes Kind ...
E iner seiner Sekundanten wischte ihm schnell mit einem nassen Schwamm das Blut aus dem Gesicht. Der andere gab ihm zu trinken. Kaltes Wasser lief ihm übers Gesicht und auf die Schultern. Die beiden Männer grinsten ihn an und redeten ihm aufmunternd zu, als ob er auch nur ein einziges Wort verstehen könnte. Bei dem Kampf zuvor hatten sie wahrscheinlich schon genau dasselbe getan – und Alex hatte das Ergebnis gesehen. Aber das würde er nicht mit sich machen lassen. Diese Leute sollten ihr blaues Wunder erleben.
Ein letztes Mal wurde ihm die Wasserflasche zwischen die Lippen geschoben, und er trank, so viel er konnte. Dann ertönte der Gong und die Flasche verschwand. Die Pausenmusik verstummte. Aus dem Publikum erhoben sich einzelne Schreie. Alex blickte auf und sah Anan Sukit durch die Ränge nach unten kommen und in der ersten Reihe Platz nehmen. Vermutlich wollte er den endgültigen K.-o.-Schlag aus nächster Nähe sehen.
Alex bewegte sich vorsichtig nach vorn. Die Fäuste erhoben, das Gewicht gleichmäßig auf die Fußballen verteilt. Sunthorn wartete auf ihn. Das war gut. Das Einzige, was Alex wirklich fürchtete, war ein schneller, direkter Angriff. Dann bliebe ihm keine Zeit für das, was er sich vorgenommen hatte. Aber Alex hatte schon in der ersten Runde gezeigt, was erdraufhatte. Sunthorn wusste, dass er in mindestens einer Kampfsportart ausgebildet war, und überlegte sich sein weiteres Vorgehen mit viel Bedacht. Beinahe hätte Alex ihn k. o. geschlagen; Sunthorn würde ihm keine zweite Chance geben.
Am Ende entschied sich Sunthorn für einen normalen Clinch, einen Wrestling-Griff, der auch beim Muay Thai gebräuchlich ist. Plötzlich sahen sie sich direkt in die Augen, ihre Füße berührten sich beinahe. Sunthorn hatte seine Hände hinter Alex’ Kopf verschränkt und ein siegesgewisses Grinsen aufgesetzt. Seine Körpergröße war ihm von Vorteil. Er konnte Alex aus dem Gleichgewicht bringen oder mit einem Kniestoß erledigen. Die Zuschauer sahen, dass der Kampf seinem Ende zuging, und brüllten begeistert auf.
Genau darauf hatte Alex die ganze Zeit gewartet. Genau das hatte er provozieren wollen. Und ehe Sunthorn irgendetwas gegen ihn unternehmen konnte, schritt er selbst zur Tat. Niemand wusste – Sunthorn ebenso wenig wie die Sekundanten oder das Publikum –, dass Alex seit Beginn dieser zweiten Runde den Mund voller Wasser hatte. Und jetzt spuckte er Sunthorn die volle Ladung ins Gesicht.
Sunthorn reagierte instinktiv, überrascht bog er den Kopf zur Seite und lockerte seinen Griff. Eine Sekunde lang konnte er nichts sehen. Und diese Sekunde nutzte Alex und holte zu einem wütenden Aufwärtshaken aus, der krachend
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