Alex Rider 7: Snakehead
Bedürfnis hatten, ihre Umgebung nicht bloß spektakulär, sondern auch leicht wahnsinnig zu gestalten.
Die Frau blieb stehen und winkte Alex durch eine Tür in einen lang gestreckten Speisesaal mit großen Fenstern, die aufs Meer hinausgingen. Am Boden lagen Teppiche, und der riesige Tisch mit einem Dutzend Stühle hätte gut zu einem mittelalterlichen Bankettsaal gepasst. In diesem Raum hingen moderne Gemälde: ein Porträt von David Hockney und ein mit bunten Punkten gefüllter Kreis von Damien Hurst. Alex hatte ähnliche Bilder in Londoner Galerien gesehen und wusste, sie waren Millionen wert. Der Tisch war nur an einem Ende gedeckt. Dort wartete Major Yu auf ihn, der Stock lehnte an seinem Stuhl.
»Da bist du ja, Alex«, sagte er freundlich, als seien sie alte Freunde. »Nimm doch bitte Platz.«
Als er auf ihn zuging, konnte Alex den Snakehead-Bosszum ersten Mal in Ruhe mustern: das runde, eingefallene Gesicht, die Drahtbrille, das weiße Haar, das so gar nicht zu seinen chinesischen Zügen passen wollte. Der Major trug einen gestreiften Blazer und ein weißes Hemd. Aus der Jackentasche lugte ein seidenes Taschentuch. Seine behandschuhten Hände hatte er gefaltet vor sich liegen.
»Wie geht es dir?«, fragte Yu.
»Ich habe Kopfschmerzen«, antwortete Alex.
»Das glaube ich gern. Ich muss mich dafür entschuldigen. Ich weiß wirklich nicht, was in mich gefahren ist, dass ich dich so geschlagen habe. Aber ich war wütend. Du hast auf der Liberian Star großen Schaden angerichtet und mich gezwungen, Captain de Wynter zu töten, was ich eigentlich nicht vorhatte.«
De Wynter war also tot. Er hatte für sein abermaliges Versagen büßen müssen.
»Dennoch war das unverzeihlich. Meine Mutter pflegte zu sagen, man darf beim Kartenspiel verlieren, aber man darf niemals die Beherrschung verlieren. Möchtest du Apfelsaft? Er kommt von der High House Fruit Farm in Suffolk und ist einfach köstlich.«
»Danke«, sagte Alex. Er begriff nicht, was hier vorging, kam aber zu dem Schluss, dass er das Spiel dieses Irren ebenso gut mitspielen konnte. Er hielt ihm sein Glas hin und Yu schenkte ein. In diesem Augenblick kam das indonesische Dienstmädchen mit dem Essen herein: Roastbeef und Yorkshire Pudding. Alex bediente sich. Ihm fiel auf, dass Yu nur sehr wenig aß und Messer und Gabel wie chirurgische Instrumente hielt.
»Ich bin sehr froh, diese Gelegenheit zu haben, dich kennenzulernen«, fing Major Yu an. »Seit du unsere Operation Unsichtbares Schwert zum Scheitern gebracht und den Tod der armen Mrs Rothman verursacht hast, frage ich mich ständig, was für ein Junge du wohl sein magst ...«
Mrs Jones hatte also Recht gehabt. Major Yu gehörte tatsächlich zu Scorpia. Alex begriff mit Grauen, dass Yu also noch einen Grund mehr hatte, ihn zu töten – um diese alte Rechnung zu begleichen.
»Es ist nur schade, dass wir so wenig Zeit haben werden«, fuhr Yu fort.
Das hörte sich gar nicht gut an. »Ich habe eine Frage«, sagte Alex.
»Bitte, nur zu.«
»Wo ist Ash? Was haben Sie mit ihm gemacht?«
»Lassen wir Ash jetzt aus dem Spiel.« Yu lächelte verkniffen. »Du brauchst dir keine Sorgen um ihn zu machen. Du wirst ihn nie wiedersehen. Wie ist das Fleisch?«
»Etwas zu blutig für meinen Geschmack.«
Yu seufzte. »Es kommt von einem Biohof. Aus Yorkshire.«
»Woher auch sonst?« Allmählich hatte Alex die Nase voll von diesem Getue. Er spielte mit seinem Messer und fragte sich, ob er schnell und entschlossen genug sei, es dem Mann ins Herz zu stoßen. Dann hätte er fünf oder vielleicht sogar zehn Minuten, bis das Dienstmädchen wiederkam. Genug Zeit, einen Weg ins Freie zu finden ...
Yu schien seine Gedanken lesen zu können. »Bitte mach keine Dummheiten«, sagte er. »Ich habe eine Pistole in meiner rechten Jackentasche, und ich bin sehr schnell. Ich würde dich erschießen, noch ehe du von deinem Stuhl aufgestanden wärst, und es wäre doch wirklich schade um die schöne Mahlzeit.Also komm, Alex. Ich möchte alles über dich wissen. Wo wurdest du geboren?«
Alex zuckte die Schultern. »In Westlondon.«
»Deine Eltern waren beide Engländer?«
»Ich will nicht über sie reden.« Alex blickte sich um. Plötzlich ergaben die Bilder, die Möbel, die Kleider und sogar das Essen einen Sinn. »Sie scheinen England zu mögen, Major Yu«, sagte er.
»Ich bewundere dieses Land sehr. Wenn ich das so sagen darf, Alex, ich habe es genossen, dich zum Gegner zu haben, weil du Engländer bist. Und das ist auch
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