Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
Schuss aus. Die steinernen Wände verstärkten den Lärm der Explosion. Jetzt setzte die Panik erst richtig ein.
Die Touristen stoben kreischend auseinander. Ein paar verschwanden in den Museumsshops oder gingen hinter den Auskunftsschaltern in Deckung. Eine Gruppe von Grundschülern, die die ägyptischen Mumien besucht hatte, duckte sich ängstlich hinter die Treppe. Eine Amerikanerin, die neben ihnen stand, begann zu schreien. Die Museumswächter, von denen viele schon alt und in ihren eigentlichen Berufen längst pensioniert waren, blieben wie erstarrt an ihren Plätzen stehen. Auf einen solchen Fall waren sie nicht vorbereitet. Kurst stieg über den toten Agenten und ging seelenruhig zum Haupteingang.
Natürlich war er nicht allein ins Museum gekommen. Scorpia hätte nie das Leben ihres Chefs aufs Spiel gesetzt, auch nicht für eine Million Euro. Deshalb war er von seinen eigenen Leuten umgeben.
MI6-Agenten näherten sich ihm von allen Seiten. Sie wussten noch nicht, was passiert war, nur dass sich die Spielregeln geändert hatten. Maschinenpistolenfeuer empfing sie. Der bärtige Student bei den Postkartenständern hatte eine kleine Handfeuerwaffe mit zusammenklappbarer Schulterstütze aus dem Rucksack gezogen und jagte eine Kugelsalve über den Hof. Ein MI6-Agent, der die westliche Treppe herunterkam, warf überrascht die Arme hoch und fiel zusammengekrümmt die Treppe hinunter. Die Amerikanerin schrie immer noch und die Grundschulkinder weinten. Sämtliche Alarmsirenen des Museums schrillten. Menschen rannten in alle Richtungen.
Der Japaner, der seine Frau fotografiert hatte, warf die Kamera auf den Boden. Sie explodierte mit einem leisen Knall und setzte dicke dunkelgrüne Rauchschwaden frei. Sekunden später war Kurst schon nicht mehr zu sehen.
Der große Innenhof hatte sich in ein Schlachtfeld verwandelt. Zwei MI6-Agenten blieben schlitternd stehen und spähten angestrengt durch den Rauch. Ein lauter Knall ertönte und dann noch einer. Sie gingen beide zu Boden. Die Japanerin hatte eine Nambu-Pistole mit Perlmuttgriff aus der Handtasche gezogen und ihnen in die Beine geschossen.
Kurst, der sich ein Taschentuch vor das Gesicht hielt, war inzwischen am Haupteingang angelangt. Schon bei seiner Ankunft hatte er nur wenige Sicherheitsbeamte entdeckt. Jetzt war überhaupt keiner mehr da. Aus den Augenwinkeln sah er einen MI6-Agenten auf sich zustürzen und ruckartig stehen bleiben. Kursts persönlicher Leibwächter, der Schwarze mit dem Notizbuch, dem er in den Saal mit dem Parthenonfries gefolgt war, hatte den Agenten gepackt. Kurst hörte, wie sein Genick brach. Als der Mann auf dem Boden zusammensackte, trat Kurst ins Freie hinaus.
Menschen rannten in Panik zwischen den Säulen hindurch, die Treppe hinunter und über den Platz vor dem Museum. Die Polizei rückte bereits an. Aus allen Richtungen näherten sich Sirenen. Kursts Limousine wartete am Tor. Zwei Männer kamen im Laufschritt auf ihn zu. Sie trugen beide anthrazitfarbene Anzüge und Sonnenbrillen. Kurst fragte sich unwillkürlich, warum Spione sich immer so auffällig kleiden mussten. Die beiden hatten offenbar den Aufruhr im Museum bemerkt und eilten ihren Kollegen zu Hilfe. Vielleicht hatten sie nicht damit gerechnet, dass er so schnell wieder auftauchen würde.
Kurst hob seinen Spazierstock. In Wirklichkeit handelte es sich dabei um eine Röhre mit einer Kugel, die durch Gasdruck abgefeuert wurde. Der elektrische Auslöser saß unmittelbar unter dem Griff. Die Kugel war eine Spezialanfertigung. Sie tötete ihr Opfer nicht nur, sondern zerfetzte es.
Kurst feuerte. Der linke Mann wurde von den Füßen gerissen, drehte sich um sich selbst und landete als blutiger Haufen auf dem Boden. Sein Kollege erstarrte einen kurzen Augenblick und das wurde ihm zum Verhängnis. Kurst hob mit überraschender Schnelligkeit den Spazierstock und schlug damit wie mit einem Schwert zu. Die Metallspitze traf mit voller Wucht gegen den Hals des Agenten, der wie vom Blitz getroffen zusammenbrach.
Kurst rannte zu der Limousine. Die hintere Tür stand bereits offen. Er warf sich hinein und schlug sie zu. Schüsse knallten, doch die Limousine hatte kugelsichere Scheiben und eine gepanzerte Karosserie. Mit quietschenden Reifen fuhr sie an. Ein weiterer Agent stellte sich ihnen in den Weg. Er hielt eine Pistole in den Händen. Als der Chauffeur beschleunigte, prallte der Agent mit einem dumpfen Schlag gegen die Stoßstange und wurde zur Seite geschleudert.
Z wei Stunden später
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