Alexa, die Amazone – Die große Chance
Inbrunst gesagt, dass Alexa unwillkürlich lächeln muss.
»Das ist nett von dir, danke. Ich glaube, ich werde versuchen, mich durchzusetzen. Das muss ich schließlich auch einmal lernen. Vielleicht ist es gar keine schlechte Lektion!«
»Ich sagte es ja, Alexa«, grinst Harald und schlägt ihr auf die Schultern. »Du bist ein ganzer Kerl!«
»Hach, danke«, hustet Alexa und hätte fast das Glas mit dem dampfenden Tee umgestoßen, das Bianca eben vor sie hingestellt hat.
»Na?«, fragt Haralds Lebensgefährtin. »Seid ihr euch einig geworden?«
Sie ist also über alles genau informiert, geht es Alexa durch den Sinn.
»Ja«, lacht sie absichtlich unbekümmert, »ich werde mich bei den Reitern durchboxen« – dann könnt ihr ungestört zusammen sein, denkt sie noch und überlegt weiter, dass die beiden ja auch ein Recht dazu haben.
»Ich muss sagen, du imponierst mir, Alexa. Bei Harald hättest du wirklich ein sorgenfreieres Leben. Und ich heiße dich, soweit ich hier bin, auch recht herzlich willkommen. Es würde mir Spaß machen, dich drüben zu haben.«
Alexa schämt sich für ihre Gedanken und leistet Abbitte.
»Das ist sehr lieb von dir, Bianca, aber ich habe mich entschlossen. Es soll ja kein Urlaub für mich sein, sondern ich will lernen – wie die anderen auch!«
»Entschuldigt mich«, sagt Harald nach etwa einer halben Stunde mit Blick auf seine Uhr. »Ich muss jetzt rüber. Und du kommst am besten gleich mit, Alexa. Erschrick übrigens nicht über meinen Ton und die veränderte Umgangsform den anderen gegenüber. Die wissen das schon richtig einzuordnen. Und du auch, hoffe ich.«
»Ja, ja, mich bringt nichts mehr so schnell aus dem Gleichgewicht.«
Der sogenannte Gruppenraum entpuppt sich als extrem nüchtern gehaltener Saal. Als Harald und Alexa eintreten, verstummen die wenigen, die schon anwesend sind, sofort.
»Na, was ist denn mit euch los«, witzelt Harald. »Euch wird’s doch nicht die Sprache verschlagen haben? Ich wäre ja untröstlich!«
Ein etwa Fünfundzwanzigjähriger, der sich eben noch mit fünf anderen unterhalten hatte, dreht sich zu Harald um und grinst breit.
»Nicht ganz, Herr Struckat, wir sind nur den Umgang mit Damen nicht mehr so richtig gewöhnt ...«
»Na, da kann ich dir helfen. Als Erstes bietet man einer Dame einen Platz an.« Abwartend bleibt Harald stehen. Alexa erfasst die Situation sofort. Sie mustert den jungen Reiter gelassen. Der, zuerst reichlich verlegen,fängt sich schnell, schaut seine Kameraden an, zuckt mit den Achseln und sagt dann zu Alexa: »Nun denn!« In einem weiten, schwarzen Wollpullover, schwarzen, lederbesetzten engen Reithosen und staubigen Stiefeln steuert der Wortführer auf Alexa zu.
»Okay, Madame, darf ich Sie zu ihrem Platz begleiten?«
Aus den Augenwinkeln sieht Alexa, wie die anderen fünf verharren. Mit ihrem Begleiter geht sie an den langen Tisch und wählt sich in der Mitte einen Stuhl. An der Stirnseite ist Harald bereits dabei, seine Papiere zu ordnen. Der Schwarzgekleidete neben ihr strömt einen angenehmen Duft nach Pferdestall aus. Alexa lächelt versonnen und atmet tief ein. An einem Gespräch scheint er allerdings nicht interessiert zu sein. Auch die anderen setzen sich nun. Ihr gegenüber rückt ein schlaksiger Junge mit später Pupertätsakne und fettigen, blonden Stirnfransen seinen Stuhl umständlich zurecht. Der magere Körper steckt in einem dicken Wollpulli mit Norwegermuster. Er bemüht sich sichtlich, möglichst an Alexa vorbeizuschauen. Sein Nachbar gefällt Alexa schon besser. Ein Athlet mit klaren Augen und einem türkisfarbenen Sweatshirt. Alexa überlegt bereits, ob sie sich täuscht, oder ob auch seine Augen blaugrün sind.
Pferdeähnliches Getrappel lenkt sie ab. Lautes Stimmengewirr kündet die Nachzügler an. Etwa sieben Typen versuchen sich gleichzeitig durch die Tür zu quetschen. Das Gejohle verstummt, als die ersten die überraschende Tischordnung sehen. Alles scheint sich bereits um die Neue geschart zu haben.
Etwas ratlos stehen sie noch an der Tür, da treten bereits zehn weitere Reiter, allerdings disziplinierter, ein.
»Was ist denn los?«, fragt einer unwillig. »Was steht ihr denn so blöd herum?«
»Ganz richtig«, mischt sich Harald quer durch den Saal ein. »Sucht euch endlich einen Platz. Wir wollen zu Potte kommen!«
Alexa schätzt keinen über dreißig, die meisten wohl kaum älter alszwanzig. Verschwitzte Gesichter, verstaubte, von zupfenden Pferdelippen verschmierte Pullover
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