Alexa, die Amazone – Die große Chance
und ausgepumpte, kraftlose Bewegungen lassen darauf schließen, dass die meisten eben erst mit ihrer Arbeit fertig geworden sind. Einige lassen ihre Ellenbogen schwer auf den hölzernen Tisch fallen und stützen ihre Köpfe auf. Andere rutschen bis an die Stuhlkante und versuchen auf diese Art einen Liegestuhl aus dem unbequemen Sitzgerät zu machen. Interessiert blickt sich Alexa weiterhin in der Runde um. Vier Mädchen zählt sie. Das ist nicht gerade viel. Bei einem ist sie sich allerdings nicht ganz sicher. Vorsichtshalber zählt sie es erst einmal zu den Jungen. Während sie von einem zum anderen schaut, fällt ihr auf, dass keiner ihren Blick erwidert. Eine Mauer aus Schweigen hat sich um sie herum aufgebaut. Sie bemerkt schon, wie ihre Unsicherheit zurückkommt, da schaut sie den Pickeligen gegenüber an, der weiterhin krampfhaft an ihr vorbeistarrt, und sie empfindet ein ganz neues Gefühl in sich aufkommen: Zorn. Was benehmen die sich auch so albern. Ich tue ja schließlich keinem was!
Während Harald am Kopfende des langen Tisches nach seiner Begrüßung bereits bei verschiedenen Details und Sachfragen ist, die Alexa im Moment noch wenig interessieren, macht sie eine seltsame Entdeckung. Wenn sie zu Harald schaut, um ihm zuzuhören, spürt sie, wie sie heimlich angestarrt wird. Sobald sie aber den Kopf schnell wendet, einen dieser Blicke auffängt und ihn direkt zurückgibt, senken die meisten schnell den Kopf oder schauen woanders hin.
»Hoppla«, denkt Alexa und grinst leicht. In die Richtung läuft also der Hase! Jetzt weiß ich, wie ich euch packen muss! Immer direkt drauf zu! So fühlt sie sich auch kein bisschen unsicher, als Harald schließlich die Sprache auf sie bringt. Demonstrativ steht sie sogar auf, obwohl sie weiß, dass sowieso alle längst erfahren haben, wer die Neue, der Zögling, ist. Frei blickt sie in der Runde herum, ein kleines Begrüßungslächeln auf den Lippen, das freilich von niemandem beantwortet wird. Betont unbefangen setzt sie sich wieder. Harald wendet sich anderen Dingen zu.
Erst jetzt spürt sie, dass ihr das Herz bis zum Hals schlägt. Mein lieber Mann, sagt sie sich, das ist ja schlimmer als bei einer Mitschülerversammlung. Da kennt man die anderen wenigstens und steht nicht alleine im Mittelpunkt. Aber sie lässt sich nichts anmerken. Nach außen hin lauscht sie gespannt Haralds Ausführungen. Innerlich sind ihre Gedanken längst abgeschweift. Das beherrscht sie noch exzellent aus der Schulzeit.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
Bianca hat Klasse
Das Zimmer, das Harald ihr zeigt, ist alles andere als luxuriös.
»Eine spartanische Enklave«, ulkt Harald auch sofort, als er Alexas Gesichtsausdruck sieht. »Aber du hast alles, was du brauchst. Bett, Schrank, Tisch, Waschbecken und sogar ein kleines Bad mit Toilette und Wanne. Die malerischen Bilder nicht dazugerechnet!«
»Ja, toll«, sagt Alexa. Harald legt ihr Gepäck mit Schwung auf das Bett.
»Und eine Heizung, das habe ich ganz vergessen, hast du auch noch.«
»Ist ja irre!«
»Mach dich ja nicht lustig!«
»Ich?«
»Ja, du!«
»Gott behüte!«
Harald grinst und packt sie an den Schultern.
»Komm, du armes Häschen, den Ernst des Lebens verschieben wir auf morgen. Bianca ist schon vorausgefahren und kocht uns Spaghetti Bolognese. Nichts Feierliches, aber man muss immer tun, was man kann. Und sie macht sie gut. Also, was ist, hast du Lust zu einem italienischen Abend mit schwerem rotem Wein und Eros Ramazotti?«
»Hach, du bist ein Schatz, Harald!« Alexa wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen.
»Psst«, wehrt er ab und legt den Zeigefinger auf den Mund. »Nicht so laut. Die Wände haben hier Ohren. Sonst glauben die das noch. Wo bleibt dann meine Autorität?«
»Vergessen kannst du die. Oder hältst du dich etwa für eine Respektsperson?«
»Gleich streich ich das mit den Spaghetti wieder!«
»Und ich beiß dir was ...«
»Lass das bloß Bianca nicht hören!«
»Oh«, stutzt Alexa. »So habe ich das nicht gemeint ...« Sie wird augenblicklich rot. Das zweite Mal an diesem Tag.
Harald überspielt die Situation geschickt und wirft ihr eine Daunenjacke zu.
»Komm, auf, auf, mein Fräulein, wir haben noch einen weiten Weg und ich habe einen Bärenhunger. Auspacken kannst du später noch – oder morgen früh.«
In der Zwischenzeit ist es draußen dunkel geworden. Jetzt wirkt die ganze Anlage mit den erleuchteten Boxen und Fenstern
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