Alexa, die Amazone – Die große Chance
Stil zu dem kolossalen Schrank. Bianca hat den Tisch bereits festlich gedeckt. Große silbernePlatzteller, Silberbesteck und langstielige Gläser stehen bereit. Zwei dunkelrote Kerzen werfen ein flackerndes Licht über den Tisch.
»Aperitif gefällig?«, reißt sie Harald aus ihrer Betrachtung.
»Das könnte mir heute guttun«, stimmt sie zu.
Dann geht sie an der Fensterfront entlang. Rechts neben dem Haupteingang hat Harald eine gemütliche Ecke mit vielen dunklen Ledersesseln eingerichtet. Auf eine bemalte Truhe, die mit ihren Eisenbeschlägen einer alten Seemannskiste gleicht, stellt Harald drei Sherrygläser. Der spanische Jerezwein schimmert in sattem Goldgelb in den Kelchen. Alexa wählt einen Platz an der Wand. Von hier aus überblickt sie den ganzen Raum. Ihr gegenüber tanzen Schatten und Feuerschein abwechselnd über den alles beherrschenden Schrank. Links von ihr blinken die Lichter der Reitanlage durch die großen Fenster herauf. Und rechts, auf der anderen Seite der Tür, steht Bianca in einer hufeisenförmig gebauten, ebenfalls weiß gekalkten Küche. Sie klappert geschäftig mit Geschirr und trällert dazu laut zu Ravels »Bolero«, der den Raum bis in den letzten Winkel ausfüllt.
»Nur noch fünf Minuten«, unterbricht Bianca ihren gleichförmigen Gesang. Während sich die zähe Melodie auch ohne Biancas musikalisches Zutun weiterschraubt und sich das alles für Alexa schließlich so anhört, als hätte die CD eine Macke, lässt sich Bianca erhitzt in einen der weichen Sessel sinken.
»So, meine Lieben!« Bianca streicht sich einige vorwitzige kurze Haare aus der Stirn. »Na, wie gefällt es dir in Haralds schummerigem Reich?«
»Schummerig? Schummerig, ja, da hast du recht. Außer Kerzen scheint ihr ja kein Licht zu haben.«
Bianca lacht, während sie sich ihre Haare schnell und geschickt zu einem Pferdeschwanz hochbindet.
»Doch, doch, haben wir schon – alles versteckt, so wie die Strahler in der Küche. Aber wir lieben es nun mal geheimnisvoll ... du nicht?«
»Schon ... so lange mir kein böser Geist was tut.«
»Na, und den mit dem Pferdefuß wollen wir doch gleich einmal vertreiben.« Harald schnappt sich ein Glas. »Zum Wohl, auf einen guten Anfang.«
Vorsichtig nippt Alexa an ihrem Sherry. Ah, herrlich, das konnte sie gebrauchen. Genießerisch lehnt sie sich zurück und schließt die Augen. Als sie ihr Glas absetzt und die Augen wieder öffnet, fällt ihr der Schrank ins Blickfeld. Irgendwie wirkt er schon viel freundlicher. Fast schon vertraut. Sie prostet ihm zu.
Bianca springt indessen schon wieder auf, eilt zu ihren Spaghetti.
»Auf, auf«, brüllt sie, »los, bevor es kalt wird ... Harald, hast du den Wein schon auf? Ja, komm, mach schon ... Alexa, kannst du die Schüssel hier nehmen ... ja, und den Salat auch noch? Ja, toll, klappt ja hervorragend. Wie lange dauert das denn noch mit dem Wein? Ja, sag mal! Typisch ... das könnte schon längst erledigt sein und jetzt brichst du auch noch den Korken ab ... es ist nicht zu fassen! Komm, lass mich mal ... oder hol eine andere ...«
Während Alexa die heißen Schüsseln auf den Tisch trägt und dabei im Halbdunkel über einen besonders dicken Teppich stolpert, versuchen Bianca und Harald mit bösen Flüchen den Korken herauszuoperieren. Alexa schöpft in der Zwischenzeit die Teller voll. Verflixt, wenn sie nur wüsste, wo dieses integrierte Licht ist und vor allem, wie man es anmacht. Bei dem unruhigen Kerzenlichtgeflacker sieht sie kaum etwas. Triumphierend kommt Bianca mit der Flasche angelaufen: »Ha, geschafft!« Ganz im Vorübergehen drückt sie am Tischrand auf einen Knopf. Aus mehreren verborgenen Quellen flammt gleichzeitig Licht auf. Nur der Tisch ist jetzt angestrahlt. Ansonsten herrscht weiterhin vom Kaminfeuer und vereinzelten Kerzen bestimmtes Halbdunkel.
»Mensch, das hätte ich früher wissen sollen.« Alexa zieht die Stirn kraus, geht mit Gabel und Löffel aber gleich zum Angriff auf ihre Spaghetti über. Bianca bremst Alexas Heißhunger noch einmal kurz, indemsie ihr Glas hebt. Der kristallklare Klang der Gläser und der volle Geschmack des roten Weines sind für Alexa dann aber endgültig der Startschuss.
Alle drei haben sich übernommen. Alexa bekommt nicht einmal mehr den Rest ihres Salates herunter. Sie streckt die Beine aus und spürt, wie sie schwerer wird.
»Ich muss gehen!« Sie reißt sich zusammen und will aufstehen.
»Halt, halt!« Auch Bianca hat Schwierigkeiten. »Wenigstens einen
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