Alexa, die Amazone – Die große Chance
sprießen einzelne Barthaare. Will wohl noch nicht so recht, denkt sie. Ansonsten ist sie mit ihrem Resümee zufrieden. Bis auf das Pickelgesicht, den Krokodilfänger und den Bartzüchter kennt sie jetzt alle. Und deren Namen kriegt sie auch noch heraus. Dann hat sie sieben. Wie viele sind es im Ganzen? Etwas über zwanzig hat sie gestern im Gruppenraum gezählt. Na ja, alle wird sie sich auch nicht merken müssen.
Während um sie herum wild durcheinander abgeritten wird, setzt sie sich auf einen hölzernen Markierungskegel neben der Mauer. Sie beobachtet Sabine. Ein großes Talent scheint sie wirklich nicht zu sein. Und wenn man bedenkt, dass sie hier lebt, oder was ... Aber Amor, der gibt ein Bild für Genießer ab. Amor und Chicolo, das wäre ein Gespann. Der Schneeweiße zu dem Glanzrappen. Träumerisch sitzt sie auf ihrem Holzgestell und hängt ihren Gedanken nach.
»Michael übernimmt die Tete«, reißt Siebolds Stimme sie aus ihrer Nebelwelt.
»Anfang hier!«, schallt es von der kurzen Seite.
»Sultan!«
Irene schließt sich mit dem wendigen Rappen an.
»Wilddieb!«
Der Schönling galoppiert auf einem stattlichen Dunkelfuchs an.
»Tanja!«
Frank schließt mit einem Goldfuchs auf. Das Pferd gefällt Alexa besonders gut. Den Namen muss sie sich merken.
»Sandokan!«
Der Apfelschimmel des Unscheinbaren ist gemeint.
»Akazie!«
Das Pickelgesicht reiht sich auf einer braunen Stute ein.
»Amor, du machst das glückliche Ende!«
Sabine galoppiert an.
»Durch die Länge der Bahn wechseln ... so gut es eben geht.«
Während Michael sich zwischen den Hindernissen hindurch eine Mittellinie sucht, stellen Alexa und die anderen die Cavaletti schnell an die Wand.
»Im Arbeitstempo Tee-rab«, gibt Siebold das Kommando zum Antraben.
Michaels Brauner geht gleichmäßig und im Takt über die niedrigen Hindernisse. Die anderen folgen ebenso verhalten und ruhig. Nur Amor poltert mit einem Galoppsprung dazwischen.
»Sabine!«, brüllt Siebold ihr hinterher. Sabine kämpft gegen Amor, der den Kopf hochzureißen versucht.
»Halt die Hände ruhig und treib weiter«, ruft der Reitlehrer ihr zu.
Nach und nach verändern sie die Cavaletti, nehmen drei weg und bauen ein kleines Hindernis daraus, dann vier, fünf, sechs, bis nur noch ein Cavaletti zum Absprung vor dem aufeinandergebauten Hindernis liegen bleibt.
»So!« Zufrieden schaut Siebold sich um. »Sprung eins jetzt, die Buschhürde! Abstand halten! Antraben und drei Galoppsprünge davor ruhig angaloppieren. Nicht schießen lassen. Ist das klar? Also, los, Achat!«
Klaus, Friedhelm und Peter schaffen die Cavaletti schnell weg, Alexa geht zur Buschhürde. Sie bereitet keinem der sieben Reiter Schwierigkeiten.In rascher Folge geht Siebold die Hindernisse durch. Bei Sprung sechs, der Spinne, zeigt Amor, was er kann. Alle vor ihm sind über die Mitte des Hindernisses gesprungen, weil es dort am leichtesten zu nehmen ist. Die Spinne, nur mit zwei Stangen aufgebaut, gleicht in ihrem Aufbau dem Namensgeber. Die beiden Stangen werden scherenartig aufeinandergelegt. In der Mitte treffen die Stangen zusammen, sie bilden sozusagen den »Kopf« der Spinne. Gerät der Reiter zu weit nach rechts oder links, muss das Pferd über die »Beine« springen. Aus dem einfachen Hochsprung wird dann ein Hochweitsprung. Je weiter das Pferd vom Mittelpunkt entfernt abspringt, desto breiter wird das Hindernis. Alexa hat sich das genau angeschaut. Sie ist noch nie über eine Spinne gesprungen. Amor entweder auch nicht, oder er macht sich einen Spaß daraus.
Sabine, die den Mittelpunkt gerade angeritten hat, galoppiert drei Galoppsprünge vor dem Absprung an. Amor stürmt los, zögert kurz vor dem Absprung, will nach links ausbrechen – und springt doch. Alexa sieht schon die Stange fallen, aber der Schimmel zieht die Beine an und streckt sich unglaublich. Ohne eine Stange auch nur berührt zu haben, kommt er auf der anderen Seite auf. Siebold schüttelt nur den Kopf und sagt gar nichts.
»Gut«, hallt seine kräftige Stimme durch die Bahn, als Sprung acht von allen genommen ist. »Die Hindernisse um zwei Loch höher. Und ihr sucht euch einen Platz, wo ihr keinen stört.«
Alexa und Klaus gehen gemeinsam los, um die Sprünge zu erhöhen. Die Reiter verteilen sich, einige stellen sich in die Ecken. Nur Michael galoppiert mit seinem Achat auf dem Zirkel.
»Fang an«, gibt Siebold ihm das Startzeichen.
Dürfte ein gutes L sein, überlegt sich Alexa und schaut die Hindernisse nochmals
Weitere Kostenlose Bücher