Alexa, die Amazone – Die große Chance
und launenhaft. Der Name ist nicht gerade das beste Omen. Na ja, es wird sich zeigen.
Dann reitet sie im Schritt an, linke Hand.
In seinem Büro hat Harald etwas den Vorhang eines großen Fensters beiseite geschoben. So hat er einen freien Blick in die Reithalle, ohne selbst gesehen zu werden. Das Fenster liegt knapp über der Bande an derlangen Seite, gegenüber der Tribüne, und ist nur von einer Seite aus durchsichtig. Alexa wirft gerade einen Blick hinein. Aber für sie hängt da nur ein langgestreckter Spiegel. Sie kontrolliert sich und ihre Haltung und testet gleichzeitig, wie Caprice und sie optisch zusammenpassen.
Harald lächelt darüber. Die Eitelkeit der meisten Reiter. Dann macht er es sich in einem tiefen Sessel bequem, legt die Beine übereinandergeschlagen auf den Schreibtisch und schwenkt leicht sein Ginger Ale im Glas, sodass die zwei Eisstückchen darin klirren.
Er hält das hier für die beste Lösung. Alexa soll sich unbeobachtet glauben und genau das tun, was sie für richtig hält. Er ist auf ihr Einfühlungsvermögen gespannt, denn schließlich ist es immer ein bisschen schwieriger, sich auf ein völlig unbekanntes Pferd zu setzen. Und dazu noch auf Caprice, die ihren Namen nicht ganz umsonst trägt.
Er beobachtet Alexa genau. Ihm entgeht keine Hilfe, keine Bewegung, keine unzufriedene Reaktion der Stute.
Dann richtet er sich etwas auf. Alexa lässt die Stute Schenkelweichen. Caprice geht exakt auf zwei Hufschlägen, weicht vor dem rechten, treibenden Schenkel in leichter Stellung vorwärts-seitwärts aus. Ihre Beinpaare treten deutlich über.
Aha, denkt Harald, der Caprice kennt, und weiß, dass sie sich ohne genaue Hilfen gern am Schenkelweichen vorbeischummelt, indem sie ihre Beine nur seitlich nebeneinander hertreten lässt.
Aha. Alexa versteht es also. Er lehnt sich wieder gemütlich zurück und beobachtet sein Liveprogramm. Dann und wann schaut Alexa nach der Tür. Sie erwartet mich wohl, ein Lächeln zuckt um Haralds Lippen. Das ist schon richtig so, Alexa. Warte es nur ab, es könnte sein, dass du der große Ehrgeiz meiner späten Jahre wirst.
Genüsslich nimmt er einen Schluck.
Alexa trabt an. Die Stute geht weich und locker. Schön, denkt Alexa. Es macht ihr mehr und mehr Spaß. Sie reitet Schlangenlinien durch die ganze Bahn, stellt ihr Pferd bei jedem Handwechsel deutlich um.
Auch wenn Harald noch nicht da ist, sagt sie sich selbst, ich reite einfach so, als sähe er zu. Und sie bemüht sich noch mehr. Macht das Bein lang, federt die Absätze herunter, versucht unsichtbarer zu treiben und die Hände noch ruhiger zu halten. Dabei lässt sie ihr Kreuz einwirken und freut sich darüber, wie Caprice willig an die Hand geht und aufmerksam ihre Hilfen erwartet. Manchmal hat sie das Gefühl, die Stute weiß schon von vornherein, was Alexa einleiten will, so spontan folgt sie auch den kleinsten Impulsen.
Alexa geht zur schwereren Lektion über. Sie sitzt aus und gibt an der nächsten langen Seite Hilfen zum Schulterherein. Es sieht schon fast einer weiblichen Koketterie ähnlich, wie die beiden an Harald vorbeitanzen. Caprices Hinterhand bleibt auf dem Hufschlag völlig gerade gerichtet. Die äußere Vorderhand fußt etwa auf einem inneren Rand des Hufschlages. Und damit vor der inneren Hinterhand.
Sie hat die optimale Abstellung, sagt sich Harald zufrieden und zündet sich einen Zigarillo an. Die Biegung stimmt, der Tritt, die Aufrichtung, alles einwandfrei. Da brauche ich mich weiter also nicht zu sorgen, sie wird dem Siebold Freude machen.
Tatsächlich. Alexa und Caprice vertragen sich prächtig. Alexa hat Caprices empfindliches Maul erkannt. Sie arbeitet mit weicher und nachgiebiger Hand. Die Stute, die sich gern mit Kopfschlagen gegen zu harte Zügelhilfen wehrt, sucht den Weg in der Tiefe. Alexa verlegt sich mehr aufs Treiben und achtet darauf, dass die Hinterhand gut untertritt. So kommen sie glänzend miteinander aus.
Alexa geht ihr ganzes Repertoire durch. Dann kommt ihr ein Gedanke und sie traversiert durch die ganze Bahn. Sie ist mit dem Ergebnis zufrieden. Aber was Siebold wohl gesehen hätte?
Hans-Ulrich Siebold hat sich inzwischen bei Harald eingefunden. Er sitzt auf dem Schreibtisch, raucht einen Zigarillo mit und beobachtet Alexa beim Viereckverkleinern und -vergrößern, bei Wendungen ausdem Schritt, Trab und Galopp, bewertet ihren Kontergalopp auf dem Zirkel, schaut sich ihre Schlangenlinien genau an. Und schließlich offeriert sie ihm auch noch
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