Alexander der Große
hinauf,
opferte dem Priamos und tauschte im Tempel der Athena von Ilion seine Waffen gegen diejenigen, die dort aus der Zeit des trojanischen
Krieges aufbewahrt wurden. Zum Kampf waren sie nicht mehr geeignet, doch angeblich mussten sie seine Hypaspisten (Schildknappen)
vor ihm her tragen, wenn er in die Schlacht ging.
Das waren Reminiszensen an den mythischen Kampf zwischen Barbaren und Griechen, im Vordergrund standen aber die an den historischen |24| Sieg über Xerxes. Seinetwegen war ja das ganze Unternehmen auch begonnen worden. So setzte die Masse des makedonischen Heeres
genau auf der Route über, die Xerxes damals in umgekehrter Richtung genommen hatte. Der Besuch der Akropolis von Troja und
das dortige Opfer an Athena waren eine Wiederholung dessen, was der Perserkönig getan hatte. Und wie dieser hielt auch Alexander
in der Troas seine große Heerschau, die den eigentlichen Kämpfen präludierte. Der Hybris des Großkönigs aber setzte Alexander
seine Frömmigkeit entgegen. Er ehrte das Heiligtum des Protesilaos, das von Vasallen des Xerxes geplündert worden war, und
er opferte während der Überfahrt den Göttern des Meeres, das der Großkönig hatte auspeitschen lassen.
|23| Die Rache des Xerxes
Die Strecke zwischen Abydos und dem anderen Ufer ist sieben Stadien lang (ca. 1350 Meter). Als die Brücken fertig waren, kam
ein gewaltiger Sturm, der das ganze Werk zerstörte und zunichte machte. Als Xerxes das hörte, ergrimmte er und befahl, den
Hellespont durch 300 Geißelhiebe zu züchtigen, auch ein Paar Fußfesseln im Meer zu versenken. Ja, man berichtet, dass er auch
Henkersknechte geschickt habe, um dem Hellespont Brandmale aufzudrücken. Sicher ist nur so viel, dass er den Auftrag gegeben
hat, den Hellespont mit Ruten zu peitschen und die rohen, gottlosen Worte zu sprechen: ‚Du bitteres Wasser! So züchtigt dich
der Gebieter, weil du ihn gekränkt, der dich doch nie gekränkt hat. König Xerxes wird über dich hinweggehen, ob du nun willst
oder nicht.‘ So ließ er das Meer züchtigen, und den Aufsehern des Brückenbaus wurde der Kopf abgeschlagen.“
HERODOT 7.34–35 ( Übersetzung A. Horneffer )
|24| Das war ein Programm, für das Herodot die Vorgabe lieferte. 9 Alexander war ein erfolgreicher und gottesfürchtiger Xerxes. Wie dieser ausgezogen war, die Griechen zu unterdrücken, so
tat Alexander dies, um sie, soweit sie seit der Zeit des Peloponnesischen Krieges in persische Abhängigkeit geraten waren,
von dieser zu befreien. In diesem Plan war das erste Ziel die Eroberung der kleinasiatischen Küste und das nächste der Vormarsch
bis zum Halys. Weitere Ziele gab es zumindest offiziell nicht, denn noch brauchte der junge König den Konsens mit seinen Generälen.
Seine makedonische Armee bestand hauptsächlich aus Bauern, die ihr Land nicht beliebig lange verlassen konnten.
Alexander präsentierte sich am Hellespont noch nicht als neuer Achill. Das ist eine späte Legende, 10 die den König vom politischen Programm der Anfangsjahre löst, ihn zum romantischen Abenteurer macht und suggeriert, der Zug
bis ins Herz des Perserreiches und darüber hinaus sei bereits ein Plan der ersten Stunde gewesen. Alexander alias Achill ist
ein Held ohne Heer, sein Metier der Zweikampf, seine Aufgabe, es den Heroen der Vorzeit gleichzutun. So kam der Mythos in
die Welt; die Realität des Frühjahrs 334 v. Chr. sah anders aus. Auf Alexander wartete nicht ein glanzvoll zu bestehendes
Duell, sondern das Heer der Satrapen. Der Feldzug konnte enden, bevor er eigentlich begonnen hatte.
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|25| Meer- und andere Wunder – Das schwierige erste Jahr
Am Hellespont hatte sich Alexander als geschichtsbewusster Herrscher erwiesen. Offenbar wollte er fortsetzen, was Philipp
initiiert hatte, die Schaffung eines großen Reiches aus Griechen und Makedonen mit der Ägäis als Mittelpunkt. Es war eine
Art Erbe der athenischen Arché (Reich), und bildete den Raum, den sich die Zeitgenossen damals unter Europa vorstellten: Makedonien,
Thrakien, Griechenland und die Inseln bis nach Kreta.
Alexanders Anknüpfung an die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts, dem Jahrhundert der Griechen, war ein Versprechen, doch
all das, was er nun so bewusst und zielgerichtet tat, war auch durch die Situation bedingt. Und diese war nicht günstig. Die
Griechen träumten nicht von der großen Vergangenheit, sie ängstigte eine Gegenwart voll von sozialen Problemen, politischen
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