Alexander der Große
in den eigenen Reihen – die innermakedonische Opposition war noch immer aktiv. Bei Xanthos in Lykien tauchte
aus der Tiefe einer Quelle eine eherne Tafel auf. Altertümliche Schriftzeichen kündeten, die Herrschaft der Perser solle durch
die Griechen ein Ende finden. Die Klaviatur, auf der Kallisthenes zu spielen vermochte, reichte von Warnung bis Ermutigung. 11
Das pamphylische Meerwunder
Alexanders Entscheidung in Milet, die eigene Flotte, zum größten Teil Schiffe aus Athen, zu entlassen und die gegnerischen
Schiffe von Land aus zu bekämpfen und sie zunächst von ihren Häfen im südlichen Kleinasien, in Pamphylien und Lykien, abzuschneiden,
machte 334/333 einen gefährlichen Winterfeldzug notwendig. Logistische Probleme erforderten ein kleines Heer, das Gros der
Truppen marschierte unter dem General Parmenion auf direktem Weg in die Winterquartiere der bereits eroberten Residenzstadt
Sardes. Alexander selbst wählte den Weg über Telmessos nach Lykien, erreichte Xanthos, Patara und schließlich Phaselis, den
Küstenort, bis zu dem sich im 5. Jahrhundert die athenische Seeherrschaft ausdehnte. Im angrenzenden Pamphylien warteten aber
neue Schwierigkeiten. Die Truppen wurden in Kämpfe verwickelt, Belagerungen verzögerten den Vormarsch, kaum passierbare Wegstrecken
mussten überwunden werden. Das war die Zeit für das berühmteste Wunder der ersten Jahre, das pamphylische Meerwunder.
Unweit von Phaselis führte ein steiler Bergpfad, die Klimax, nach Norden. Auf ihm zog über Treppen, die in den bloßen Fels
gehauen waren, ein Teil des Heeres Richtung Perge. Alexander selbst benutzte einen engen, zwischen Berg und Pamphylischem
Meer gelegenen Durchgang. Er war nur bei Windstille passierbar, bei Südwind aber |29| überflutet. Die Gefahren des Engpasses waren bekannt, Berichte darüber schon erschienen. So konnte Alexander das Risiko abschätzen,
als er bei stürmischem Wetter den Transit wagte. Er erreichte das Ziel, auch wenn seine Soldaten, bis zum Bauchnabel im kalten
Wasser, durch die Winterfluten waten mussten. Geographen wie Strabon erklärten das Wechselspiel von Wind und See als berechenbares
Naturphänomen, Kallisthenes betrachtete es als ein göttliches Zeichen, ein Wunder des Meeres. Der Historiker kannte die Bücher
Moses nicht, doch er kannte Homer. In der
Ilias
tritt das Meer freudig vor seinem Beherrscher Poseidon auseinander, er durchfährt es mit seinem Wagen, ohne dass Wasser dessen
Achse netzt.
Kallisthenes bauschte, wie schon Plutarch kritisierte, den Vorgang zu dramatischer Größe auf, bei dem sich Alexander als Günstling
der Götter bewährte. Dabei gebrauchte er sogar den Begriff der Proskynese, eine Art meist kniefälliger Begrüßung, mit der
die persischen Untertanen den Großkönig ehrten, die nach Ansicht der Griechen jedoch allein Göttern vorbehalten war. „ Während
sonst die Wogen unablässig wild von der hohen See heranrollten und selten einmal die verborgenen schmalen Klippen unter den
steilen zerklüfteten Hängen des Gebirges sich zeigten“, sei das Meer vor Alexander zurückgewichen, berichtete Kallisthenes
in seinen
Praxeis
, „wie wenn es irgendwie empfinde, dass er vorbeigehe, und auch selbst den König wohl kenne, sodass es in seinem Zusammenkrümmen
eine Art Ehrerbietung auszudrücken schien.“ 12
Die Botschaft kam in Griechenland an, die Wundergeschichte verbreitete sich schnell und war schon bald nach Alexanders Tod
sprichwörtlich: „Ganz nach Alexanderweise geht das hier“, heißt es in einer Komödie des Menander, „such ich einen, kommt er
schon von selbst daher. Muss ich aber einmal suchen einen Weg durchs Meer, gleich wird er mir gangbar sein.“
Auch der jüdische Historiker Flavius Josephus (37/38–100 n. Chr.) war beeindruckt und zog den Vergleich mit dem berühmten
Zug der Israeliten durch das Rote Meer: Gott nämlich habe sich Alexanders Hilfe bedient, um die Herrschaft der Perser zu stürzen. 13
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|30| Der Gordische Knoten – Asien im Schwertstreich
Im Frühjahr 333 erreichte Alexander Gordion, die Hauptstadt von Phrygien. Parmenion war aus den Winterquartieren von Sardes
direkt dorthin gezogen. Aus Makedonien und Griechenland trafen frische Truppen ein, neue Rüstungen liefen an. Sie brauchten
jedoch Zeit, eine eigene Flotte war auf absehbare Zeit nicht einsetzbar. Hier halfen auch frische Gelder aus Kleinasien nicht.
Memnons Schiffe beherrschten das westliche Meer, Chios
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