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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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mit einem der zuständigen Beamten, sondern mit Antipatros selbst besprechen wollte; desgleichen die Steuereinnehmer, desgleichen die Richter.
    Olympias ritt in den Hof des Palasts, geführt und gefolgt von berittenen Dienern, von Sklaven, von Maultierkarren mit dem Besitz der Königinmutter. Ein paar Mann der Palastwache grüßten, zunächst verwirrt; Sklaven und Diener des Haushalts liefen herbei, um zu helfen. Olympias erkundigte sich nach Antipatros, nach Archelaos, aber auch der Herr des Haushalts war nicht zu finden. Mit einem dünnen Lächeln gab sie Anweisungen hinsichtlich des Gepäcks; dann stieg sie die Treppen hinauf. Ein Offizier der Palastwache trat ihr in den Weg, sichtlich von Zweifeln geplagt; Olympias schob ihn beiseite, und er wagte es nicht, Gewalt gegen Alexanders Mutter anzuwenden.
    Sie wanderte langsam durch die Gänge, bis sie zu jenem kam, an dem ihre ehemaligen Gemächer lagen. Auch hier standen Posten, die bei ihrem Anblick grüßten, dann von einem Fuß auf den anderen traten und sie schließlich durchließen.
    Sie betrachtete die Stelle im Gang, wo Philipp die Mauer hatte errichten lassen, die nun verschwunden war, spurlos. Dann hob sie die Schultern, richtete sich auf und trat zur Tür, hinter der Kleopatra lebte, Philipps Witwe.
    Die Wachen standen am Ende des Gangs, schon halb im Treppenhaus. Etwas wie faßbares Unbehagen lag in der Luft. Und Stille. Von irgendwo, durch einen Boten herbeigeholt, tauchte Archelaos auf. Er kam die Treppe heraufgerannt. Bei den Wachen blieb er keuchend stehen.
    » Wo ist sie?«
    Einer der Männer deutete in den Gang.
    Archelaos starrte ihn ungläubig an. » Ihr habt sie da reingehen lassen? O ihr Götter!« Er schob die Männer beiseite und lief zu den Gemächern der Witwe.
    Ein langer, schriller Schrei hallte durch den Gang, durchs Treppenhaus, durch den Palast. Archelaos zuckte zusammen, stand einen Moment wie gelähmt; dann riß er die Tür auf.
    Kleopatra lag auf dem Boden, in einer Blutlache; die rechte Hand klammerte sich um den Dolch, der in ihrer Brust steckte. Auf dem Schoß lag Philipps Tochter Europe, kaum zwei Monde alt. Das Wickeltuch war tiefrot. Der Kopf des Säuglings lag unnatürlich schräg; nur ein Hautfetzen verband ihn noch mit dem kleinen Körper.
    Archelaos stieß ein würgendes Grunzen aus. Olympias stand ein paar Schritte entfernt, zwischen den Leichen und dem Fenster. Die Schlange ringelte sich um ihren Hals.
    » Ah, Archelaos, gut dich zu sehen.« Sie betrachtete ihn mit einem milden, beinahe vorwurfsvollen Lächeln. » Wie kann man eine offensichtlich verwirrte Frau alleinlassen, mit ihrem Kind und einem Dolch?«
    Archelaos starrte sie an. Sein Gesicht war kalkweiß.
    Eumenes hatte abgenommen. Der fette Hellene, Leiter des königlichen Archivs, war mit der zweiten Heeresgruppe in Eilmärschen durch Thessalien gezogen, als Alexander mit der Hetairenreiterei bereits die Thermopylen besetzte. Nun saß er vor einem Zelt, eine Hand auf dem mit Rollen übersäten Tisch, in der anderen ein Hühnerbein. Er kaute und starrte über den schmalen Strand hinaus aufs Meer. Nur die knappen, vollmundigen Bemerkungen, mit denen er Fragen seiner Schreiber beantwortete, zeigten, daß er keineswegs döste.
    Der Teil des Lagers, in dem die Nachrichten ausgewertet, gebündelt und an den König weitergegeben wurden, befand sich am Stadtrand von Alpenos, östlich der Engen. Leonidas, der große Spartaner, treu, wie das Gesetz es befahl, hatte hier sein Versorgungslager gehabt, als er die Thermopylen gegen die Heere des Xerxes verteidigte.
    Eumenes hatte in den heißen, grünblauen, stinkenden Quellen gebadet; er hatte mißmutig die schroffen, bewaldeten, unzugänglichen Hänge und Höhen betrachtet und im Geiste Philipp gedankt, der die Straße erweitert und geebnet hatte. Die drei » Tore« genannten Durchlässe, jeweils etwa fünfzehn Stadien voneinander entfernt, waren mit Mauern gesichert und von makedonischen Kerntruppen besetzt. Ein Teil des Heeres lagerte westlich der Engen, zwischen den Bergen, den Flüssen und der Stadt Antikyra; das Hauptlager befand sich weiter östlich, zwischen Alpenos und Nikaia.
    Die älteren Krieger und viele Offiziere kannten den Ort längst; sie waren unter Philipp durch die Engen gezogen, hatten sie bei anderer Gelegenheit umgangen, hatten beim Ausbau der Straße mitgearbeitet. Außerdem waren sie Makedonen; die sagenhafte Bedeutung der Thermopylen für Hellas mochte ihnen Achtung einflößen, verbunden mit einer

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