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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Rede.«
    »Das sind doch gerade die Schlimmsten!«, meinte Balke. »Diese Typen aus der Zahnpastareklame, die hab ich so was von gefressen! Von früh bis spät nur Liebe, Sonnenschein und frisch gebackene Brötchen. Aber hinter der Fassade …«
    »Die Sanders wohnen in einem dieser Viertel, wo niemand jemals schlecht über seine Nachbarn reden würde«, überlegte ich laut. »Man tratscht unter seinesgleichen, aber nach außen hin hält man dicht.«
    »Dann müssen wir eben in dieses geschlossene System eindringen.« Balke schlug sich auf die Oberschenkel, dass es knallte. »Und falls da überhaupt einer reinkommt, dann ja wohl Sie, Chef.«
    »Wenn ich die Akten richtig im Kopf habe«, erwiderte ich langsam, »dann gibt es noch eine Quelle, die wir bisher nicht angezapft haben.«

3
    Ein kurzer Anruf hatte genügt, um noch am selben Vormittag bei der Leiterin des Kindergartens in Sandhausen, den Gundram Sander besucht hatte, einen Termin zu bekommen. Die junge Frau sah aus wie eine etwas zu groß und zu breit geratene Edith Piaf und hieß Alina Schächele. Ihr Blick war warm und wach.
    Sie führte mich in ihr winziges, quietschbunt eingerichtetes Büro gleich neben dem Eingang. Hinter einer breiten Doppeltür am anderen Ende des langgestreckten Flurs tobte jener Radau, den zwanzig, dreißig Kinder machen können, wenn sie gute Laune haben. Jeder Sicherheitsbeauftragte einer deutschen Fabrik würde seinen Job verlieren, ließe er zu, dass Menschen unter solchen Bedingungen ohne Gehörschutz arbeiteten.
    Frau Schächele schloss sorgfältig die Tür hinter uns, und der Krach wurde deutlich leiser. Die Wände des Büros waren bis unter die Decke mit Kinderzeichnungen gepflastert, soweit sie nicht von Regalen voller Ordner verstellt waren. Sie nahm hinter ihrem Naturholzschreibtisch mit bunten Schubladen Platz. Ich setzte mich auf einen wenig vertrauenerweckenden rot-gelbblauen Klappstuhl. Es roch streng nach Putzmittel.
    »Sie kennen die Familie Sander«, begann ich.
    »Kennen wäre zu viel gesagt. Die Mutter hat ihn morgens gebracht und mittags geholt, mit ihrem …« Ihr Blick wurde für eine Sekunde unsicher. »Na ja, mit diesem Mega-BMW.«
    »Aber Sie mögen sie nicht besonders?«
    »Es ist nicht mein Job, die Eltern unserer Kinder zu mögen«, erwiderte sie tapfer. »Ich finde, es reicht, wenn ich ihre Sprösslinge mag.«
    »Aber eine Meinung werden Sie vermutlich haben.«
    »Was wollen Sie von mir hören? Gundram war gewaschen, wenn er morgens kam. Er hatte gefrühstückt, er hatte immer saubere Sachen an.«
    »Ich versuche nur, mir ein Bild davon zu machen, wie die Eltern mit ihrem Kind umgehen.«
    »Korrekt.«
    »Das ist ein merkwürdiges Wort in diesem Zusammenhang.«
    Frau Schächele schlug die dunklen Augen nieder und sah auf ihre wie zum Gebet gefalteten Hände.
    »Den Vater kenne ich gar nicht. Den habe ich in den drei Jahren, die Gundram jetzt bei uns ist, nicht ein einziges Mal gesehen. Aber die Mutter: Schätzelchen, mach dich nicht schmutzig, denk an das neue Auto. Lieber, vergiss bitte den Schal nicht, wenn ihr draußen spielt. Süßer, hast du auch brav deine Milch getrunken und deine Hände gewaschen?«
    »Hatten Sie den Eindruck, dass sie ihr Kind liebt?«, fragte ich vorsichtig.
    Sie musterte mich, als hätte ich etwas selten Dämliches gesagt. »Jede Mutter liebt ihre Kinder. Irgendwie.«
    »Ich komme jetzt zu einer etwas heiklen Frage. Sie müssen sie natürlich nicht beantworten.«
    Sie sah mir aufmerksam ins Gesicht.
    »Hat sich Gundram normalerweise gefreut, wenn er abgeholt wurde? Hat sie sich gefreut? Hat sie ihn in den Arm genommen, zum Beispiel?«
    Dieses Mal musste ich einige Sekunden auf die Antwort warten. In der Ferne lärmten die Kinder. Eines davon weinte und tobte abwechselnd in einem Wutausbruch, der sich gewaschen hatte.
    »In den Arm genommen hat sie ihn nur, wenn er sich vorher ordentlich die Nase geputzt hat«, sagte die Leiterin des Kindergartens schließlich, als schämte sie sich für den Satz.
    Der Lärm in der Ferne schwoll plötzlich zum Orkan. Kurz vor zwölf, Zeit, sich anzuziehen und für den Heimweg fertig zu machen. Frau Schächele sprang sichtlich erleichtert auf. Vor dem kleinen, bunt bemalten Fenster des Büros bremsten die ersten Wagen.
    »Wissen Sie was?« Plötzlich strahlte sie. »Reden Sie doch mit der Frau Berger. Die hat mal eine Weile bei den Sanders den Haushalt gemacht.«
    Von einer Haushaltshilfe hatte ich in den Akten nichts gelesen.
     
    Alma Berger

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