Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
ein Gähnen. »Der Herr Gerlach ist ein Netter. Der wird Sie schon nicht fressen.«
    »Ja, also«, begann der Zeuge mit gesenktem Blick und Schweiß auf der Stirn. »Ich bin Tramfahrer. Also, eigentlich Straßenbahnfahrer, aber seit Neuestem sollen wir ja jetzt Tram sagen und nicht mehr Straßenbahn, weil das irgendwie … weiß auch nicht.«
    Selbst für seine Körpergröße wirkte der runde und praktisch haarlose Kopf überdimensioniert.
    »Sie waren in der Nacht auf der Linie vierundzwanzig unterwegs«, half Kollegin Krauss müde nach.
    Er nickte schuldbewusst.
    »Und da haben Sie was beobachtet.«
    Wieder Nicken. In mir kochte eine ungute Aggression gegen dieses Trampeltier hoch.
    Endlich öffnete er den viel zu kleinen Mund in seinem Mondgesicht und sagte seinen Text auf, als hätte er ihn mühevoll auswendig gelernt: »Also, es ist zwanzig vor elf gewesen. Ich bin aus Richtung Stadt gekommen und bin genau im Fahrplan gewesen, und an der Haltestelle Marktscheide, also, da ist einer ausgestiegen. Die Bahn ist praktisch leer gewesen, und ich hatte erst gar nicht gemerkt, dass da noch einer drin sitzt. Aber wie ich halte, da springt der auf einmal auf und drückt den Knopf – und weg ist er. Ich hab den eigentlich gar nicht richtig gesehen.«
    »Sie sind aber sicher, dass es ein Mann war?«
    »Also, die Bewegungen und so, ja. Der Mantel. Ja, denk schon, dass er ein Mann gewesen ist.«
    »Groß, klein? Dick, dünn?«
    »Mittelgroß. Nein, größer. Ich hab den ja nur im Spiegel gesehen und nicht gewusst, dass das mal interessant sein könnte, dass da einer aussteigt, gell? Ja, eher bisschen größer, würd ich sagen. Also, vielleicht nicht ganz so groß wie ich.«
    »Wie groß sind Sie?«
    »Eins achtundneunzig. Und dick ist der nicht gewesen. Eher dünn. Ja, also eher so ein Spargel.«
    »Und er hat einen Mantel angehabt.«
    »Ja.«
    »Was war das für ein Mantel? Welche Farbe?«
    Unser schwitzender Zeuge nagte auf der Unterlippe. Das Nachdenken schien ihm Schmerzen zu bereiten.
    »Dunkelgrau«, behauptete er mit plötzlicher Entschlossenheit. »Und mit Pelzkragen. Und dunkle Schuhe auch. Obwohl, bei den Schuhen, also, da bin ich mir jetzt nicht so sicher.«
    »Haarfarbe?«
    »Weiß ich nicht. Blond nicht. Eher dunkel. Ja, eher dunkel. Aber … weiß nicht … ich …« Er machte eine konfuse Handbewegung vor seiner Stirn. »Mir geht’s im Kopf wie Kraut und Rüben. Ich bild mir alles Mögliche ein, und …«
    »Das Gesicht haben Sie nicht gesehen?«
    Trübsinniges Kopfschütteln. »Man guckt da ja nicht so genau hin, wissen Sie. Ein kurzer Blick in den Spiegel, ob alle raus sind. Und dann Türen zu, und ab geht’s. Ich bin genau im Fahrplan gewesen. So spät am Abend geht das leicht. Da sind nicht mehr so viele Autos auf der Straße, und wir fahren auch nur noch alle halbe Stunde und … na ja. In Rohrbach Süd war Endstation. Und dann ist es wieder zurück in die Stadt gegangen.«
    »Wie lange sind Sie in der Nacht gefahren?«
    »Bis zwanzig vor zwölf. Das ist die letzte Tour.«
    Ich warf Evalina Krauss einen auffordernden Blick zu. Sie erhob sich mühsam und schaffte es dieses Mal nicht, die Gähnattacke niederzukämpfen.
    »Danke erst mal, Herr Langhoff«, sagte ich so freundlich, wie es mir im Moment möglich war. »Meine Kollegin wird jetzt alles aufschreiben, und dann dürfen Sie es noch mal lesen, und vielleicht fällt Ihnen dabei ja noch das eine oder andere ein.«
    Der Straßenbahnfahrer sah mich begriffsstutzig an. Dann stemmte er sich ächzend aus dem Stuhl. Als ich wieder allein war, wandte ich mich endlich meinem inzwischen nur noch lauwarmen Cappuccino zu. Der Regen vor den Fenstern schien allmählich schwächer zu werden. Trübes, graues Licht drang herein.
    »Das Video aus der Bahn ist schon da«, erfuhr ich kurze Zeit später von Sven Balke. »Da ist tatsächlich einer ausgestiegen, und mit etwas gutem Willen könnte es der Softwaretyp mit dem Audi sein. Größe und Statur passen. Außerdem bestätigt seine Partnerin, dass er einen Mantel mit Pelzkragen besitzt.«
    »Wozu parkt er seinen Wagen da draußen?«, überlegte ich. »Fährt mit der Bahn in die Stadt, kommt später wieder zurück …«
    »Und versucht, einen Polizisten umzubringen«, beendete Balke meinen Satz. »Zeitlich haut es jedenfalls hin. Ein paar Minuten nachdem er aus der Bahn gestiegen ist, hat Rübe die Kugel in den Bauch gekriegt. Wir haben auch die Zeugenaussage einer Frau. Sie behauptet, um Viertel vor elf hätte Rübe

Weitere Kostenlose Bücher