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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Der ehemalige Direktor des Kant-Gymnasiums, Dr. Ernst, hatte eigens unseretwegen am Samstag die Schule aufgeschlossen und sogar einen kleinen Sektempfang spendiert mit von seiner Frau liebevoll zubereiteten Häppchen. Auf unserer Seite hatte leider niemand daran gedacht, dem aufrechten alten Herrn wenigstens einen Blumenstrauß mitzubringen. Aber er freute sich auch ohne Blumen wie ein Schneekönig.
    Später pilgerten wir zum »Kaiserhof«, einem Restaurant und Hotel in der Karlsruher Innenstadt. Löffler, der das Ganze organisiert und es schon zum Professor an einer Fachhochschule in der Nähe von Leipzig gebracht hatte, hatte dort für all diejenigen Zimmer reserviert, die nicht bei Eltern, Verwandten oder alten Freunden unterkriechen konnten. Das Abendessen hatte ewig gedauert, und von Stunde zu Stunde war es lauter geworden. Für die bei solchen Anlässen übliche Angeberei waren wir noch zu jung, für das »Ja, ja, damals …« noch nicht alt genug. Die wenigsten konnten schon mit Haus oder Segeljacht prahlen. Die meisten hatten noch kaum mehr zu bieten als große Pläne und aufregende Träume. Aber natürlich wurden Erinnerungen aufgefrischt, Lehrer nachgeäfft, alte Geschichten aufgewärmt. Bald war ich heiser gewesen vom Lachen. Und irgendwann saß plötzlich Doro neben mir.
    Ganz im Gegensatz zu unserer Schulzeit, während der ich sie als zickige Gans erlebt hatte, verstanden wir uns an diesem Abend prächtig. Vera und ich hatten uns damals schon gekannt, aber von Heirat war noch lange keine Rede gewesen. Doro war auf einmal gar nicht mehr schnippisch, interessierte sich ernsthaft für meine Arbeit als frischgebackener Kriminaloberkommissar. Sie war noch solo und vielleicht auch ein wenig einsam. Von Vera erzählte ich natürlich nichts.
    Irgendwann nach Mitternacht, als der Restaurantleiter uns nachdrücklich und inzwischen nur noch in Grenzen freundlich vor die Tür komplimentierte, zogen wir – nicht einer hatte gekniffen – ins »Litfass« um. Doro klebte an mir, hatte viel zu viel getrunken, kam aus dem Lachen und Gickeln gar nicht mehr heraus, und am nächsten Morgen war ich in ihrem Hotelbett aufgewacht.

10
    Hennings Rucksack enthielt nichts, was mir weiterhalf. Ich überflog die Liste, die Klara Vangelis während meiner Abwesenheit erstellt hatte. Offenbar hatte er in großer Hast und ohne zu überlegen hineingestopft, was ihm gerade in die Finger kam. Drei T-Shirts, eine Jeans zum Wechseln, ein Pyjama, fünf Paar dicke Socken, Duschgel und Shampoo, ein viel zu kleines Handtuch, kein Pullover, keine Unterwäsche, ein paar alte Sportschuhe. Geld und Papiere hatte er vermutlich in der Hosentasche aufbewahrt. Auf den Fotos vom Fundort, die ein mitdenkender Kollege mit seinem Handy geknipst hatte, war zu erkennen, dass jemand den Rucksack durchwühlt hatte, bevor später ein ehrlicher Finder die Polizei anrief.
    Doro bestätigte mir am Telefon unter Tränen, dass alle gefundenen Kleidungsstücke dem Schrank ihres Sohnes entstammten. Einige Dinge fehlten allerdings in Hennings Zimmer, die Vangelis im Rucksack nicht gefunden hatte. So zum Beispiel ein Paar Adidas-Sportschuhe, ein dicker Norwegerpullover und eine schwarze Jeans der Marke Mustang. Von einigen anderen Kleidungsstücken vermutete Doro, dass ihr Sohn sie am Leib trug. Sie versprach noch einmal, eine ausführliche Liste zu erstellen.
    Inzwischen waren auch die kriminaltechnischen Labors in Stuttgart und Straßburg fleißig gewesen, erfuhr ich von Vangelis.
    »Lea hat Blutgruppe A, Rhesus positiv. Ich sage es ungern – leider dieselbe Gruppe wie die der ersten Toten im Elsass.«
    »Vier von zehn Mitteleuropäern haben A positiv«, erwiderte ich nach einer Schrecksekunde. »Es ist ein Indiz, aber noch lange kein Beweis.«
    Dass das Blut am Hemd von Leas Vater von derselben Gruppe war, beunruhigte mich schon mehr. Ich beschloss, Lassalle ein drittes Mal aufzusuchen. Dieses Mal würde ich laut und grob werden.
    Es war kurz nach zwölf, als ich wieder einmal an Lassalles Tür läutete. Und es dauerte volle sieben Minuten, bis er endlich öffnete. Mit wirren Haaren, hängenden Schultern und glasigem Blick stand er vor mir. Offensichtlich hatte ich ihn aus dem Bett geklingelt. Außerdem war er immer noch oder schon wieder betrunken.
    »Sie?«, fragte er mit einer Stimme, als hätte er lange nicht mehr laut gesprochen. »Haben Sie den Einbrecher etwa schon geschnappt?«
    »Ich muss mit Ihnen reden«, erwiderte ich grob und drängte mich an ihm

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