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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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GmbH ihren Sitz in Bayreuth gehabt hatte, der Gründer nicht nur Akustikspezialist und Physiker, sondern auch ein angesehener Geiger gewesen war. Die Firma hatte die Geschäfte in dem Jahr eingestellt, als in Leipzig die Montagsdemonstrationen begannen. Horst Wendland, der Kopf der Firma, war wenige Jahre später gestorben. In einem Forum für Retrofanatiker wurde behauptet, er habe sich zu Tode gekifft. Dort las ich auch den Namen seines damaligen Partners und genialen Elektronikentwicklers: Xaver Untermatter.
    Nach einigem Suchen fand ich schließlich einen Branchenbucheintrag mit diesem Namen. Untermatter lebte heute in Passau, musste die sechzig längst hinter sich haben und bot einen Reparaturservice für die Produkte seiner alten Firma an. Der Mann verfügte weder über einen Internetauftritt noch über eine E-Mail-Adresse, hatte aber immerhin ein Telefon. Er nahm nach dem dritten Klingeln ab und hörte schweigend zu, während ich ihm meine Geschichte erzählte.
    »Nach Heidelberg haben wir vielleicht drei oder vier Anlagen verkauft«, sagte er am Ende mit rauem Bass und fränkisch rollendem R. »Vielleicht waren’s auch fünf. Sie erwarten aber jetzt hoffentlich nicht von mir, dass ich Ihnen die Adressen meiner Kunden verrate?«
    »Genau darum wollte ich Sie bitten.«
    »Ich müsste auf den Speicher klettern, Herr Gerlach! Und darauf habe ich eigentlich gar keine Lust. Ich bin nicht mehr der Jüngste, und Sport habe ich mein Leben lang verabscheut. Und außerdem, Sie wissen ganz genau, dass ich das nicht muss. Solange Sie mir nicht einen offiziellen Wisch vorlegen. Und den haben Sie ja wohl nicht, sonst würden Sie nicht so um den Brei herumreden.«
    »Haben Sie Kinder, Herr Untermatter?«
    »Drei Jungs. Sind in alle Winde. Mein Ältester spielt bei den Bamberger Symphonikern die erste Klarinette. Der zweite entwickelt bei BMW Hinterachsen, und der dritte arbeitet in den Staaten drüben bei einer großen Bank, deren Namen ich nicht aussprechen werde.«
    »Haben Sie sich jemals eine Tochter gewünscht?«
    »Also, das ist aber jetzt die ganz fiese Tour!«
    »Ich weiß.«
    Es folgte langes Schweigen, das nur von gelegentlichem Räuspern unterbrochen wurde. Schließlich gab er sich einen hörbaren Ruck.
    »Ich kann mich darauf verlassen, dass keiner von meinen Kunden jemals davon erfahren wird?«
    »Großes Musikliebhaberehrenwort.«
    »Na, Sie sind mir ja einer.« Untermatter tat noch einige schwere Atemzüge und schließlich einen großen Seufzer.
    »Aus Ihnen wäre ein guter Verkäufer geworden. Wissen Sie das?«
    Ich lachte. »Es gab eine Zeit, da habe ich darauf gespart, mir eine Ihrer Anlagen kaufen zu können.«
    »Ich hab noch zwei Prototypen im Keller stehen. Sie könnten sie zum Schnäppchenpreis haben.«
    »Was heißt das in Euro?«, fragte ich mehr, um ihn bei Laune zu halten, als aus echtem Interesse.
    »Sagen wir, fünftausend?«
    »Und es ist alles dabei?«
    »Zwei Boxen, das Spitzenmodell A2, aber wie gesagt, optimierte Prototypen. Überhaupt kein Vergleich zum Vorgänger, wenn Sie mich fragen. Obwohl mein Partner da leider anderer Ansicht war. Wir haben seinerzeit viel gestritten über den Punkt. Am Ende haben wir sie dann gar nicht mehr auf den Markt bringen können, weil diese Scheißbank … Dazu kriegen Sie den Standardröhrenverstärker mit fünfhundert Watt Dauerleistung. Einen Marantz-Plattenspieler mit Ortofonsystem hab ich auch noch irgendwo rumliegen. Den schenk ich Ihnen, weil Sie so ein guter Verkäufer sind.«
    »Einen Plattenspieler habe ich schon.«
    »Ein Radio müssen Sie sich woanders kaufen, wenn Sie eines brauchen. Radios haben wir nie gemacht.«
    Mir war klar, dass ich das Wort »CD-Spieler« in diesem heiligen Moment nicht einmal denken durfte.
    »Ich werd’s mir überlegen«, sagte ich ergriffen und war in Gedanken schon dabei, mein Wohnzimmer umzubauen.
    Untermatter schien einen geräumigen Dachboden zu haben, denn es wurde später Nachmittag, bis er endlich zurückrief. In der Zwischenzeit hatte ich ein wenig Bürokram erledigt und mir eine kleine Ansprache zurechtgelegt für die um sechs Uhr beginnende Weihnachtsfeier.
    »So«, stöhnte der alte Ingenieur und hustete. »Ich sag ja, Buchhaltung ist nicht unsere Stärke gewesen. Aber jetzt hab ich die Adressen zusammen, und eine Staublunge hab ich mir außerdem geholt. Haben Sie ein Fax?«
    »Könnten Sie mir die Liste per E-Mail schicken?«, fragte ich unvorsichtigerweise.
    Prompt wurde er wieder ungnädig. »Ich hab

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