Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen
müssten sie sich ja getroffen haben.«
»Das ist easy.« Louise setzte sich wieder. »Sie hat einfach im Internet geguckt, wo große Partys sind. Die Jahresfeier von einem Golfclub, ein runder Geburtstag von einem Bürgermeister oder irgendeinem reichen Sack.«
»Und dann ist sie da einfach hingegangen? Ohne Einladung?«
»Bei Mädels gucken die Türsteher nicht so genau hin. Läuft bei den Discos genauso. Mädels werden auf Feten immer gebraucht, vor allem, wenn sie gut aussehen. Und da hat sie natürlich alle möglichen Typen kennengelernt. Sie hat oft damit angegeben, wen sie alles kennt.«
»Seid ihr eigentlich mal bei Henning im Krankenhaus gewesen?«, fragte ich, als sie sich zum zweiten Mal erhob.
Louise schlug die Augen nieder und schüttelte den Kopf.
»Wolltet ihr ihn nicht jeden Tag besuchen?«
»Er kriegt doch sowieso nichts mit«, meinte sie verzagt. »Es zieht einen voll runter, ihn so … zu sehen. Hast du ihn denn besucht?«
Nun war ich es, der mit schlechtem Gewissen den Kopf schüttelte.
»Und wie läuft’s mit Marc?«, fragte ich stattdessen.
»Schluss, Ende, aus«, lautete Louises präzise Antwort. »Ich nehm auch die Pille nicht mehr. Hab die Nase voll von den Typen.«
Sie lächelte traurig und verabschiedete sich mit einem matten Winken.
25
Am Donnerstagmorgen, zwei Tage vor Heiligabend, saßen wir wieder einmal zu dritt zusammen. Vangelis, Balke und ich. Nicht nur ich hatte heute das Gefühl, der Erfolg sei zum Greifen nah. Balke hatte sich inzwischen im Internet Wolfram Schillers Bungalow angesehen.
»Schnieker Bau aus den Siebzigern. Was man auf dem Video von der Einrichtung und der Architektur sieht, könnte gut dort reinpassen. Viel Sichtmauerwerk, große Glasflächen und so. Ich habe sogar eine ungefähre Vorstellung davon, in welcher Ecke des Hauses er es mit dem Mädel getrieben hat.«
»Ich bin überzeugt, er ist es«, sagte Vangelis.
»Wie geht’s nun weiter?«, fragte Balke unternehmungslustig.
Das hatte ich mir schon beim Frühstück überlegt. Ich faltete die Hände auf dem Tisch. »Erstens werde ich persönlich Kontakt mit ihm aufnehmen. Nicht offiziell natürlich, sondern undercover. Außerdem machen wir ihn ein bisschen nervös. Ich lasse sein Haus überwachen, und zwar so, dass er es merkt. Und dann sehen wir mal, wie er reagiert. Er hat den Namen Lea in den Nachrichten gehört. Er weiß, was mit Gröwer passiert ist. Falls er mit Lea zu tun hatte, muss er unter enormem Druck stehen.«
»Und wen setzen Sie ihm vor die Tür?«, fragte Balke belustigt. »Das ist ja praktisch eine Strafexpedition.«
»Strafexpedition ist genau das richtige Wort.«
Rolf Runkel war alles andere als begeistert von der Perspektive, sich die kommenden Nächte in einem kalten Einsatzfahrzeug sitzend um die Ohren zu schlagen. Aber nach seiner neuesten Meisterleistung wagte er nicht zu widersprechen.
»Und was genau soll ich da machen?«
»Beobachten, was der Mann treibt. Hin und wieder erstatten Sie mir persönlich Meldung. Und wenn er wegfährt, dann folgen Sie ihm.«
»Aber … allein, wie soll das gehen, ohne dass er was merkt?«
»Macht nichts, wenn er es merkt. Im Gegenteil, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Nein, er verstand nicht. Aber er traute sich nicht zu fragen.
»Werd ich auch irgendwann mal … abgelöst?«
»Natürlich«, behauptete ich, ohne rot zu werden. »Aber erst mal müssen Sie das allein stemmen. Sie schaffen das schon.«
Nun endgültig verwirrt, erhob er sich aus dem Besucherstuhl. »Das ist ja … Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll.«
»Noch was«, rief ich ihm nach, als er schon halb aus der Tür war. »Sie schicken mir bitte jede Stunde eine kurze SMS, okay? Nur damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist.«
Runkel war kaum verschwunden, als Vangelis und Balke wieder vor mir standen.
»Schillers Firma nennt sich Frankfurt Invest«, begann Vangelis, heute für ihre Verhältnisse ungewöhnlich aufgedreht. »Ob er mit seiner Anlageberatung nennenswert Geld verdient, habe ich bisher nicht herausfinden können. Er veröffentlicht keine Geschäftsberichte, und wenn man seinem Internetauftritt glaubt, dann schwimmt er natürlich im Geld, und die Kunden rennen ihm die Tür ein. Aber alles ist ziemlich dubios, um es vorsichtig auszudrücken. Er tut zwar so, als wäre es eine Riesenfirma. In Wirklichkeit scheint er außer einer Sekretärin keine Angestellten zu beschäftigen.«
»Sie denken, die Firma ist nur Fassade? Dass
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