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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sehen, wohin was auch immer treibt. Deshalb will ich nicht schlafen. Deshalb habe ich Angst vor dem Schlaf.«
    Hephaistion beugte sich vor; er küßte Alexanders Stirn.
    »Dein Vater sagte immer, er könne schlafen, weil Antipatros für ihn wache. Kannst du nicht schlafen im Wissen, daß ich für dich wache?«
    »Das wird mich nicht besser schlafen lassen. Aber, Patroklos, ich werde das Wachen sehr viel mehr genießen.«
    Nach längerem Schweigen sagte Hephaistion: »Und Wein? Einer der Knaben? Eine Frau? Nicht zu vergessen – der Erbe, den Parmenion und Antipatros und Olympias wollen? Wein, selbst wenn er dir nicht schlafen hilft, macht das Dunkel vielleicht weniger bedrohlich; ein Knabe könnte dich besser, weicher wärmen als ich; eine Frau ...«
    Alexander unterbrach ihn. »Ihr – du und die anderen – gebt mir die Wärme, die ich brauche, um den Kitt, der die Risse der Amphore heilen soll, biegsam zu machen, knetbar, nützlich. Der Lustknabe, die Frau für eine Nacht – wann wäre ich denn enthaltsam gewesen?«
    »Ich rede von einer Frau, Alexander; einer Königin, Mutter deines Erben. Nicht von einer Gespielin deiner Drüsen.«
    »Das würde mich an einen Ort binden. Ich will weiter; ich muß weiter.«
    »Königin und Kinder können an einem festen, sicheren Ort bleiben. Während du weiterziehst.«
    »Ah, jetzt sind es schon mehrere; Kinder.«
    »Warum nicht? Überleg doch – was, wenn dich heute ein Speer getötet hätte?«
    »Antipatros ordnet Europa; Parmenion und Krateros und Philotas würden, mit deiner und der anderen Hilfe, das Heer heimbringen; die Makedonen würden einen neuen König wählen.«
    »Bekümmert es dich nicht? Ist es dir gleichgültig, wer der neue König wäre? Warum nicht dein Sohn?«
    »Was kümmert mich, was nach meinem Tod geschieht? Wenn ich, wie die Philosophen sagen, ein Mensch bin wie alle, werde ich vergangen sein wie alle und nicht mehr teilhaben an den Dingen. Wenn ich, wie Olympias und Aristandros versichern, das Gefäß eines Gottes bin und selbst ein Gott sein werde, kann ich vom Olymp herabschauen und mich an den Fehlern meiner Nachfolger ergötzen.«
    Hephaistion schnaubte: »Du willst nicht darüber nachdenken.«
    »Ich fürchte mich vor dem, was damit verbunden wäre.«
    »Fürchten? O ihr Götter – die Furcht des Furchtlosen! Wovor bitte fürchtest du dich?«
    »Vor all dem hier – der Üppigkeit des Zelts, der neuen Art, König zu sein.« Seine Stimme wurde ernst, fast hart. »Verstehst du nicht, Patroklos – das System von Waagen, Balken und Schalen in mir ist ausgewogen, meistens jedenfalls, weil ich es beherrschen kann. Jede Änderung müßte neu ausgeglichen werden. Ich rede nicht von Änderungen des Orts; wir können ans Ende der Welt ziehen, Titanen bekämpfen, die Götter stürzen und Berge zu Sand zermahlen, ohne daß es wirklich etwas ändert. Aber dies hier – ein weiches Lager, üppige, erlesene Speisen, der Übergang von Wasser zu Wein, dies sind Änderungen, vor denen ich mich jetzt schon fürchte. Eine Frau ... die Liebe oder der Haß einer Frau, die Liebe, die ich einem von mir gezeugten Kind würde geben wollen: Das wären ungeheure Veränderungen. Sie wären vielleicht gut, Veränderungen auf der lichten Seite; aber sie müßten durch neue Gewichtungen auf der Seite des daimons ausgeglichen werden. Und mir graut vor dem Gedanken an all die Alexanders, die dann aus meinem Schatten kriechen könnten.«

7. SÄNGER IM ZWIELICHT
    Es war der scheußlichste Winter, an den Dymas sich erinnern konnte; und der letzte mit Tekhnef. Pella, Aloros, Aigai, Methone, Dion, Herakleia, dann zur Tempe-Mündung; bis hierhin reichte der stickige, überheiße Herbst. Sie machten abends Musik für den Unterstrategen des von makedonischen Kerntruppen gesicherten Flußtals, des einzigen einfachen Durchgangs nach Thessalien und Hellas; unter glimmenden Sternen, in erstickender Nacht gingen sie schlafen, auf einer baumbestandenen Terrasse oberhalb des Flusses. Sie erwachten fröstelnd, in Nieselregen, niedrigen fetten Wolken und eisigem Nordwestwind. Sie ritten nach Larissa, wo sie zwanzig Tage blieben, in den Schänken spielten und sich bei Tuchhändlern und Schneidern mit Winterkleidung eindeckten.
    Seit jener Nacht im Hafen von Pella hatten sie kaum noch miteinander gesprochen, außer über äußerliche Dinge und die Notwendigkeiten des jeweiligen Tages. Tekhnef schien abzuwarten, war aber entweder nicht willens oder nicht in der Lage, die Entwicklung zu

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