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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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zu können, hat er einige Dinge fortgeworfen. Seinen Schild, seinen Mantel, seinen Wagen. Und euch.«
    Sie schloß die Augen. Mit rauher Stimme sagte sie: »In dieser furchtbaren Schlacht müssen viele Edle gefallen sein. Freunde und Verwandte.«
    Alexander nickte; sein Ausdruck war wieder sanft. »Ja, Tshissagambysh, auf beiden Seiten sind viele edle Krieger gestorben.« Er sah sich um, deutete auf Laomedon. »Dieser Fürst wird dich morgen geleiten, wenn du nach denen suchen magst, die du gekannt und geschätzt hast und denen du gemäß ihrem Wert und deinem Glauben Ehre erweisen willst.«
    Sisygambis seufzte auf, schien wieder knien zu wollen, blieb dann doch stehen und schenkte Alexander ein trauriges Lächeln.
    »Du bist großmütig. Ich danke dir von Herzen, edler König.«
    Alexander neigte kaum wahrnehmbar den Kopf. »Nenn mich Alexander – Mutter.«

    In der Nacht erwachte Kallisthenes zwischen schnarchenden Makedonen. Er zählte sie nicht, aber es mochten fast zwanzig Männer sein, die den Heimweg zu ihren Zelten nicht mehr gefunden hatten. Sie lagen auf den Teppichen, hingen über den Klinen, kringelten sich unter den Tischen. Posten hüteten ihren Schlummer – Posten am Eingang und am Durchgang zum kleineren Teil, wo Alexander und Hephaistion auf des Großkönigs breitem Lager ruhten und leise redeten. Die Lampen waren gelöscht, bis auf zwei im Hauptteil und eine im Schlafzelt; ein Sklave sprang auf, als Kallisthenes sich erhob. Der Hellene winkte ab, trat aus dem Zelt, um sein Wasser in die Nacht zu schlagen, die von müden Feuern und anmaßenden Sternen wund war.
    Als er zurückkehrte, wählte er eine freie Liege näher an Alexanders Schlafstatt, weiter weg von den schlimmsten Schnarchern. Dennoch konnte er lange Zeit nicht wieder einschlafen.
    Nebenan hörte er eine Bewegung; er blinzelte und schaute hinüber. Alexander lag auf dem Rücken und starrte in die unendliche Nähe des Zeltdachs hinauf; Hephaistion hatte sich aufgesetzt und spielte mit einer Rolle.
    »Soll ich lesen, Achilles? Dies ist das Buch, in dem gesagt ist, wie Odysseus einschläft und Athene sich aufmacht, um Nausikaa vorzubereiten.«
    Alexander strich über die Decke, kratzte mit den Nägeln an einem Goldfaden. »Nicht jetzt, nein, aber trotzdem Dank. Ich will weder hören, wie Nausikaa ihre zweifelhafte Jungfräulichkeit verliert, einen wertlosen Gegenstand; noch wie Odysseus schläft. Aber ich beneide ihn. Ich wollte, ich könnte schlafen. Wein bewirkt es nicht – bei mir.«
    Hephaistion legte den Papyros beiseite. »Immer noch dein Vater?«
    »Philipp ist drei Jahre tot, und wir sind heute abend weiter, als er je kommen wollte. Nein – hin und wieder höre und sehe ich ihn noch, besoffen, das eine Auge blutrot, die Adern wie Gewürm, und er röhrt wie die Brandung und brüllt wie ein Stier ... Aber das ist es nicht, Patroklos. Der alte Korinther hat es vor Jahren gesagt, oben in Illyrien; daß Wein zur Freundschaft gehört, wie ein Lächeln, eine Hand oder ein langes Zuhören. Der Nüchterne im Kreis zechender Freunde wird immer einsamer; mittrinken als Trankopfer für die Götter und Göttinnen der Freundschaft.«
    Er schwieg eine Weile; Hephaistions Hand strich über die Stirn des Königs.
    Schließlich sagte Alexander, halblaut: »Die Nacht ist eine Viper; außerhalb des Feuerkreises lauern schwarze Löwen. Wein vertreibt die Viper nicht und zähmt nicht die Löwen, aber er macht die Wahrnehmung weniger scharf. All die Alexanders in mir zappeln jetzt nicht. Sie sind kein Schlangenknäuel, sondern wie ... wie Lanzen in einem Gestell. Vielleicht ist es der Wein; ich werde das weiter erproben.« Er kicherte. »Hilfst du mir – in den nächsten tausend Nächten?«
    Hephaistion brummte etwas; es mochte Zustimmung sein. Dann sagte er: »Mit welchem Alexander rede ich jetzt, Achilles?«
    »Da ist einer, der will in die Weite. Einer will Säuglinge schlachten. Greisinnen schänden. Götter stürzen. Dareios verfolgen. Babylon neu erbauen. Gedichte sprechen. Rosen riechen.«
    Die Stimme veränderte sich; Kallisthenes lief es eisig den Rücken hinauf und hinab.
    Zahnloses Mümmeln: »Heißer Wein; ein Knabe, der mir die Sohlen kitzelt; Männer der Nacht, die Geschichten erzählen von der Welt, die wie eine Erbse ist« – zaghaft, verloren, verzweifelt: »unter tausend anderen Erbsen, ein daimon hat sie gekocht und gefressen, und wir, auf der Suche nach Göttern, wissen nicht, daß wir in seinem Gedärm zersetzt werden.«

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