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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Weisheit.«
    Der Priester regte sich nicht. Sein Gesicht, beherrscht von den blinden Augen, war eine Wüstenlandschaft. »Du hast den Garten des Heiligen Feuers betreten. Wie alle Gärten, in denen die Könige zu jagen pflegen, hat auch dieser einen Schrein: den Umkreis des Feuers. Wenn du lang genug im paradeisos bleibst, wirst du die Fragen finden zu allen Antworten, die du zu kennen meinst, und Antworten zu Fragen, die keiner stellen kann.«
    Alexander kaute auf der Unterlippe; seine Stimme wurde rauh, fast heiser. »Ich habe keine Zeit, lange im paradeisos zu bleiben, und deine Rätsel ermüden mich. Sag mir, was ich unmittelbar tun soll, Hüter der Flamme.«
    »Die Großkönige haben die Flamme und den Priester genährt.«
    »Die Anweisung hierzu ist bereits ergangen. Du wirst Nahrung und Münzen erhalten, und Gaben für das Feuer.«
    »Ich weiß, König der Makedonen. Das war nicht meine Besorgnis. Wirst du selbst die Flamme nähren? Mit deinen Gedanken und Taten?«
    Hephaistion schüttelte den Kopf, unwirsch. »Sein Leben lang hat er nichts anderes getan, alter Mann.«
    »Das weiß ich, Hephaistion. Wird er aber darin fortfahren, oder wird er dieses Feuer als äußerlich vergessen, wenn die schwarzen Flammen in ihm zu lodern beginnen?«
    Alexander seufzte. »Ruhig, Hephaistion. – Diese Flammen, die du schwarz nennst, sind das gleiche wie dein Feuer. Die Innenseite ist nicht anders als die Außenseite.«
    Der Priester legte den Kopf fast auf die linke Schulter; es war, als ob er fernen Stimmen lauschte. »Du bist immer vorwärtsgegangen, größter der Könige. Manchmal wie ein Pfeil, manchmal wie eine Schlange. Das ist dein Los, und dein Verhängnis. Geh weiter voran, voraus, immer. Du kannst den eigenen Pfad, die eigene Fährte kreuzen, solange dein Ziel sich vorwärtsbewegt. Du mußt suchen und wandern.«
    Alexander verzog das Gesicht. »Das ist meine Absicht. Aber eines Tages will ich zurückkommen nach Babylon, bald, oder später.«
    Der Priester schüttelte den Kopf; seine Stimme klang nun beinahe wie ein düsterer Gong. »Es gibt nur einen Ort, zu dem du heimkehren kannst. Dieser paradeisos hier. Wenn du hierher zurückkommst, wirst du den Garten besitzen und alle Länder und Städte. Wenn du zurückkehrst in die Stadt Babylon, wirst du alles verlieren, und diesen Garten.«
    Alexander stieß einen Laut des Unwillens aus; der Priester wandte sich ab.
    »Du sagst, ich soll weiter gehen und nicht zurückkehren nach Babylon. Andere Priester anderer Götter sagen, ich soll Babylon nicht verlassen, oder ich trage Babylon immer mit mir, oder Babylon ist überall. Ich bin eurer Götter und Reden überdrüssig!«
    Die letzten Worte schrie er fast. Der Priester wandte ihnen immer noch den Rücken zu, ging mit schnellen Schritten fort, vorbei am Altar, zum Rand der Lichtung, einen Abhang hinunter.
    Sie folgten ihm und spähten den Hang hinab; er war kahl, der Priester war nirgendwo zu sehen.

10. DIE FEUER VON PERSEPOLIS
    Nacht der Götter, Nacht des Glanzes, Nacht der Vollendung. Der König im Zenit; o die Sterne, herabgesunken, dienstbar gemacht und untertänig, glimmendem Golde gleich zu seinen Füßen, gleißend geflochten zu Kränzen des Ruhms! Wein und Wonne, Erguß und Ergötzen, Geschrei und ...
    »Geschwätz!« Kallisthenes zerriß den Papyros und warf das zerkaute, zerfaserte, verschmierte Ried von sich. Mit hohlen, brennenden Augen blickte er über die Stadt, die nicht mehr war. Von den Hügelketten fiel eine Wolke, vom Himmel plumpste Sonnenlicht, titschende Hitze zwischen verschollenen Häusern. Die geborstenen Säulen, der Burgberg wie schale Krumen; leichtsinnige Geier mit versengten Krallen. Es schlich ein weitgereister Wind umher, stöberte in Mauerresten nach dem Ruch der Verwesung und fand reichen Lohn; stahl sich Schuttrampen hinauf, die gestern noch Treppen und Auffahrten waren, rührte auf den hundert Ebenen des Palastes der Großkönige Aschewölkchen auf, zupfte hier und da eine eingerollte Flammenzunge in die Höhe.
    Der Hellene hustete; die Lungen schmerzten noch immer von all dem Feuer und Rauch, und brandige Schmerzfransen tobten durch den Schädel. Mit bebender Hand griff er nach dem Becher, im Halbschatten des hochgestellten Zelteingangs, trank lauwarmen Wein, füllte kühles Wasser aus einem umwickelten Tonkrug nach, leerte den Becher abermals.
    Er hatte nicht geschlafen; aber wer, außer ein paar besinnungslos Betrunkenen, hätte in dieser Nacht denn schlafen können? Nicht einmal

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