Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
des Königs alle Krieger und Fürsten und Strategen Makedoniens aufgehen, so sind auch Zeus, Ammon, Bel und die übrigen nur Teile dieses einen Götterkönigs. Vielleicht ... wenn wir die ganze Welt erfassen und alles über alle Götter erfahren könnten, wären wir vielleicht fähig, mehr über den Unbekannten Gott zu wissen, zu begreifen. Du wirst mir nicht sagen wollen, daß ich nichts tun kann, es sei denn, es stünde in den Sternen der minderen Götter geschrieben, oder? Mein Wille ist stärker als eure Sterne.«
Er hatte nicht laut gesprochen; er war nicht gewachsen; aber einen Moment schien seine Stimme den ganzen Tempelraum zu erfüllen, und die hochgewachsenen Priester schienen vor ihm zu schrumpfen. Endlich holte Aristandros tief Luft.
»Hybris, Alexander – törichter und tödlicher Hochmut eines Sterblichen, dem Willen der Götter zu trotzen. Oder die Götter herauszufordern. Wenn du die Grenze überschreitest, die die Götter dir gezogen haben, wirst du sterben. Du bist zum Untergang verurteilt.«
Alexander lächelte; es war eher ein Zähnefletschen. »Daran zweifle ich nicht, weiser Aristandros. Am Ende ist der gesamte Kosmos zum Untergang verurteilt; es ist daher belanglos. Du hast aber den Sinn meiner Worte nicht verstanden. Ich sage, daß ihr, die Priester, nicht wißt, nicht wissen könnt, wo diese Grenze gezogen ist. Ich aber werde es wissen, denn ich werde es herausfinden. Und jetzt« – seine Augen wurden zu Schlitzen, die Stimme drohend – »wollt ihr endlich knien?«
Aristandros schüttelte langsam, wie verzweifelt, den Kopf und beugte ein Knie; die Chaldäer und der Ägypter zogen ihre Messer und stürzten sich auf den König. Alexanders Schwert flog hoch und trennte die Hand eines Chaldäers ab; sie klirrte, geschlossene Faust und langes Messer, auf den Boden aus harten Brandziegeln. Hephaistions Schwertspitze lag an der Kehle des Ägypters, der sein Messer fallen ließ; Ptolemaios packte den Ältesten und hielt ihn so, daß die Klinge des dritten Chaldäers ihn treffen mußte, sollte er Alexander angreifen.
Der verstümmelte Priester sank langsam in die Knie; Blut spritzte aus dem Handgelenk vor den Altar. Der Ägypter senkte den Kopf und kniete neben Aristandros. Als Ptolemaios den Ältesten losließ, kniete auch dieser. Der letzte der Priester warf sein Messer in die Blutpfütze, hob die Hände und stieß kehlige Laute aus, ehe er sich den übrigen anschloß.
Am Morgen des folgenden Tages verließen sie Babylon; Teile des Heeres waren in den letzten Tagen bereits vorangezogen. Beim Opfer in jenem Teil des hängenden Gartens, der dem Ufer des Euphrat am nächsten lag, standen Aristandros und der König nebeneinander. Als die Feier beendet und der Gott mit Früchten, Wein und Fleisch gesättigt war, wandte Alexander sich ab; dabei fiel sein Blick auf Demaratos, in dessen Gesicht offenbar eine Frage stand.
»Nun, was trübt dein weises Auge, edelster aller Korinther?«
»Unwissenheit, liebster aller Herrscher.« Demaratos kratzte sich den Kopf, der immer kahler wurde. Ptolemaios musterte ihn von der Seite; was wollte der Korinther?
»Unwissenheit?« Alexander machte ein klickendes Geräusch mit der Zunge; er grinste. »Sie lastet auf uns allen, aber nur wenige verspüren sie so stark, daß sie davon betrübt sind.«
»Ich – und deine Berater und Freunde – wir alle wüßten gern, ob Aristandros zu einem letzten Schluß gekommen ist, was euer nasses Erlebnis und die Sterne angeht.«
Alexander wandte sich seinem Obersten Seher zu. »Sprich, Telmessier.« Gesicht und Stimme waren ohne jede Freundlichkeit.
Aristandros verschränkte die Arme vor der Brust. »Sprechen? Nun gut, ich spreche. Dies sage ich, und da wir unter uns sind, ohne leicht zu beeinflussende Krieger von schlichtem Gemüt, sage ich, was ist, nicht, was sein sollte.»Er schloß die Augen; seine Stimme klang müde und hohl. »Es ist der Wille der Götter, vor allem des einen Gottes, der Zeus und Ammon und Bel-Marduk ist, daß Alexander, Herr der Makedonen, hegemon des Korinthischen Bundes, Sohn und Gefäß Ammons, das Reich des widdergehörnten Gottes festige und verwalte. Von Pella aus, oder Memphis, oder Babylon, oder der neuen Stadt, die seinen Namen tragen soll – Alexandreia. Dieses Reich, und nur dieses. Es ist der Wille des Gottes, daß Alexander die Länder des Gottes lenke: Hellas, das nähere Asien bis zum Tigris-Fluß, Phönikien, Ägypten, Babylonien. Es ist der Wille des Gottes, daß die persischen
Weitere Kostenlose Bücher