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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Königswege, hohe Hallen, die tausend satten Grüntöne des ausgedehnten Palastgartens, Hügel um Hügel gemeißelt aus Stein und verkleidet mit Stein und gestützt mit Holz, riesige Herrscherbilder in Hügelwänden oder frei als Standbilder.
    Und der Zug der Gefangenen, der Freien, die aus der Stadt strömten. Nein, sie strömten nicht; sie rollten und krochen und hinkten und humpelten, stützten und trugen einander, wankten. Viele waren nackt, keiner trug mehr als einen Schurz. Man hatte ihnen die Schädel geschoren, die Körperhaare abgesengt, nur die Bärte durften wachsen, zottig und verfilzt. Hellenen aus den Städten an Asiens Küste; Makedonen aus Parmenions Hellespont-Heer; Spartaner, Athener, Achaier, Thessalier, Boiotier, Korinther, Lokrer, Kreter; Männer aus der Fürstenwache des unglücklichen Hermias von Atarneus; Krieger, die vor zwei Jahrzehnten den Satrapen als Söldner gegen Artaxerxes gedient hatten; Kämpfer, die vor zwölf Jahren im Sold des Nektanebos Ägypten gegen die Perser hätten halten sollen. Junge Greise, alte Greise.
    Rechts und links der Königsstraße, die nicht erst in Susa begann und nicht schon in Sardeis endete, strömten die Männer von Alexanders Heer zusammen. Hier und da wurden Namen gerufen, wenn jemand einen Gefangenen erkannte oder wiederzuerkennen glaubte; Kenntnisse wurden verlangt und gegeben – man hatte die Gefangenen einfach freigelassen, sie sollten zu den Hellenen gehen. Welche Hellenen? Ein hellenisches Heer vor Persepolis? Wo war der Großkönig? Welches Heer konnte so weit vorgedrungen sein – ein Bündnis, hellenische Söldnertruppen des Dareios, denen man als Zeichen der Freundschaft die alten Kameraden auslieferte? Was, Makedonen? Philipp? Parmenion? Philipps Sohn Alexander?
    Sie näherten sich der Stelle, wo die meisten Berater und Offiziere sich um Parmenion sammelten; Alexander war nicht zu sehen. Je näher der Zug kam, desto dichter wurde das Schweigen, das ungläubige Verstummen der Hopliten und Peltasten und Hypaspisten und Hetairen.
    Sie hatten die Männer zerschnitten. Sie hatten jeden Fluchtversuch verhindert, jede aufwendige Bewachung überflüssig gemacht, indem sie die Gefangenen zu Werkzeugen verstümmelten und ihnen nur die Körperteile ließen, die zum Überleben und für die jeweilige Arbeit unabdingbar waren. Schreiber, ohne Beine, auf niedrigen Plattformen mit vier Rädern, bewegten sich vorwärts, indem sie die Hände wie Ruder oder Staken benutzten. Starke Männer mit gewaltigen Muskeln, Lastträger wahrscheinlich, in langer Reihe aneinandergeschmiedet durch eiserne Halsringe und eine vielgliedrige Kette, alle mit leeren Augenhöhlen, geführt von einem Sehenden ohne Arme. Andere Armlose mit dunkelrot verfärbten Füßen; sie hatten aus Phönikien als Tribut nach Persepolis gebrachte Purpurschnecken zertreten. Männer ohne Augen, ohne Ohren – manche hatten durchaus die Ohrmuscheln noch, aber man hatte ihnen durch glühende Nadeln das Hören genommen. Fiepende, gurgelnde Laute von einer großen Gruppe – Münzzähler? Schatzwächter? –, deren Münder keine Zungen mehr hatten.
    Kallisthenes stand am Rand der Gruppe um Parmenion; rechts neben ihm unterhielten sich Hopliten aus der Taxis des Krateros. Der lange Mann – Emes? Kallisthenes erinnerte sich nicht genau – sagte etwas; der kleinere neben ihm hob die Schultern.
    »Werkzeuge, klar? Damit sie nicht abhauen ...«
    »Zu vernünftig, wenn du mich fragst.« Emes deutete auf einen Gefangenen aus der ersten Gruppe, die sich Parmenion näherte. »Ist das nicht ... Menelaos?«
    »Was für ein Menelaos?«
    »War bei Parmenion und diesem Schwein Attalos, ganz am Anfang. He, Menelaos!«
    Der Krüppel – ein Bein, Krücke – wandte den Kopf, schnüffelte wie ein Hund, der eine Fährte sucht, humpelte weiter; er hatte keine Augen mehr.
    Die erste Überraschung über den unerwarteten Anblick hatte sich gelegt; hier und da wurde geredet, gelacht, gekichert. Einige Kämpfer hinkten übertrieben neben den Befreiten her, ahmten ihre Bewegungen nach. Kallisthenes, der nichts von derlei Gebräuchen geahnt hatte, fand die Vorstellung fesselnd, Menschen ihren Tätigkeiten anzupassen; er verstand nicht, weshalb einige der älteren makedonischen Offiziere Trauer und Zorn zeigten. Was konnte denn Trauer und Zorn auslösen? Menschen, schnell gezeugt und zur Verwendung durch Leben und Tod gedacht; Menschen, denen man die Hände abschlug, wenn sie stahlen – warum nicht auch, wenn sie die Hände nicht

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