Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
oder vielleicht ein Geschwür.
Alexander musterte die Gaben, strich über das große Ei, nahm das Fläschchen mit Roxanes Gesicht in die Hand, lächelte und stellte es auf die Platte zurück. Er bewegte die Finger; Diener nahmen die Platten mit den Geschenken entgegen.
»Ich danke dir, Karchedonier; es sind kostbare Dinge von allergrößter Kunstfertigkeit.«
Hamilkar neigte wieder den Kopf; auch er lächelte nun. »Die ruhmreichen Handwerker meiner Heimatstadt werden entzückt sein, dies höchste Lob zu vernehmen, Herr. Noch größer wäre ihre Wonne nur, wenn du selbst ihnen freundliche Worte sagen wolltest, etwa bei einem freundschaftlichen Besuch.«
Eisiges Schweigen. Perdikkas sog vernehmlich Luft durch die Zähne.
Alexander lächelte nicht mehr. »Ein solcher Besuch wäre denkbar. Man müßte sich nur über Einzelheiten unterhalten.«
Hamilkar nickte. »Selbstverständlich. Unsere Verwandten in Tyros waren töricht, als sie deinen Wunsch, im Tempel des Melqart zu opfern, nicht geziemend achteten. So soll ich dir im Namen des Rats meiner Stadt versichern, daß wir es als Gunst betrachten würden, dir und den Freunden, die du dessen für würdig hältst, alle Tempel Karchedons zu öffnen.«
»Auch den des Baal, den keiner betreten darf, der nicht aus Karchedon stammt?«
Hamilkar lächelte kühl. »Kein Gesetz, das nicht für den Herrn des Ostens aufgehoben würde. Es wäre uns höchstes Entzücken, dich zum tofet zu führen.«
»Wo man Baal Brandopfer darbringt«, murmelte Ptolemaios. »Er hat Mut, bei allen Göttern!«
Alexander schien die doppelte Bedeutung durchaus verstanden zu haben. »Einem Priester oder Gast wäre es zweifellos ein Erlebnis. Aber zuvor sollten wir über andere Dinge reden – die Anzahl der Begleiter, zum Beispiel, und die Art ihrer Kleidung. Vielleicht auch über andere Tempel. Den des Baal in Tadmor.«
Hamilkar nickte, scheinbar ungerührt. »Du ehrst mich, Herr; meine geringen Kenntnisse und Ratschläge seien dein. Aber ...« Er schnippte mit den Fingern; einer seiner Begleiter öffnete den gesiegelten Wachspfropfen der Amphore und hob das Gefäß.
Ein Raunen ging durch den Saal, als Hamilkar unter seinem weiten weißen Umhang einen Becher hervorholte – einen Kelch, würdig aller Könige und Götter. Er schien aus reinem Gold zu sein, mit einem kühlen hellen Trinkrand aus Elefantenbein. Aus Silber und edelsten Steinen geformte Palmen und Pferde, Karchedons Symbole, zierten die Oberfläche; der Fuß – oder Sockel – bestand aus vier kleinen goldenen Elefanten, die mit den Stirnen einen klaren, tiefroten Stein hielten.
Hamilkar ließ den Kelch aus der Amphore füllen. »Unser bester Wein, Herr, in einem angemessenen Gefäß. Beides ist ein Geschenk der Väter von Karchedon, die Freundschaft und Handel zu beiderseitigem Nutzen jeder anderen Verbindung vorziehen.«
Alexander nahm den dargebotenen Kelch nicht an. »Euer Wein ist zweifellos von besonderer Güte, und dieser Kelch ist prachtvoll. Wie alt ist der Wein? Zehn Jahre?«
Hamilkar schüttelte langsam den Kopf. »Was vor zehn Jahren gekeltert wurde, Herr, ist getrunken.«
»Man könnte es erneuern, nicht wahr? Oder auch nicht. Trink du zuerst, Karchedonier. Damit ich deinen guten Willen erkenne und du die Reinheit eures Weins.«
Langsam fiel die Lähmung von Nearchos ab, die ihn gefangengehalten hatte seit den geflüsterten Worten des Lagiden, draußen, auf dem Gang. Er sah, wie Ptolemaios sich versteifte; und er sah, wie der Sänger sich von der Tischkante löste, die Hand um die Kithara gekrampft.
»Er will es verhindern«, hauchte er. »Tu was. Ich ...«
Ptolemaios machte ein paar schnelle Schritte. Seine Hand, die harte Hand des erfahrenen Heerführers und Ränkeschmieds, legte sich um Dymas’ Oberarm.
Hamilkar setzte den Kelch an die Lippen und trank, lang und tief. Dann reichte er das Gefäß dem König. Auch Alexander trank nun. Irgend jemand klatschte. Nearchos schlug die Hände vors Gesicht.
Abends traf sich ein erlesener Kreis von Hetairen bei Medios. Perdikkas war dabei, ebenso Meleagros, Leonnatos, der Satrap Peukestas, Ptolemaios, Lysimachos, Eumenes, Philippos der Arzt, Nearchos, Seleukos und einige andere. Dymas, von Alexander angewiesen, spielte etliche Lieder und Tänze; er wirkte ein wenig abwesend, aber seine Musik war vortrefflich. Alexander leerte einen großen Becher gekühlten Weins und klagte über Leibschmerzen; Philippos verzog das Gesicht und sagte, auch ein König solle bisweilen
Weitere Kostenlose Bücher