Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
viel Wein, die schlimmen Verwundungen. Das ist eines. Insgesamt ist sein Körper der eines fast doppelt so alten Mannes. Stark, aber abgenutzt – doppelt abgenutzt.«
»Weiter«, knurrte Perdikkas. Plötzlich hob er die rechte Hand und wischte sich über die Augen.
»In Indien hatte er dieses scheußliche Sumpffieber; das hatte er letztes Jahr in Susa noch einmal, und nun ist es wiedergekommen. Er hustet; es kann an diesem eiskalten Bad liegen, das er nach dem Wettrudern genommen hat. Fast wie damals bei Tarsos ... Aber so, wie sein Körper jetzt beschaffen ist, kann ich ihm die damaligen Mittel nicht geben; sie würden ihn sofort töten.« Philippos seufzte; sein Blick irrte zu Nearchos. »Wie ich hörte, hat er Flußwasser getrunken; alle toten Tiere und alle Scheiße Babylons ... Und alle Absonderungen aller Kranken. Da hatte er schon Leibschmerzen. Vorher. Anschließend hat er auf leeren Magen Wein getrunken, kalten Wein, große Mengen. Der Körper insgesamt; die Lunge; das hohe Fieber, das nicht sinken will; und der Magen, der keine Speise mehr aufnimmt, alles sofort zurückweist. Genau genug, Junge?«
Wieder fuhr sich Perdikkas mit der Hand über die Augen. Eumenes schluchzte plötzlich trocken auf.
»Kann es – Gift sein?« sagte Lysimachos.
Philippos lachte bitter. »Im Fluß dürfte genug Gift gewesen sein. Der Körper ist durch langen Mißbrauch vergiftet. Wein in dieser Lage war Gift. Wieviel Gift willst du noch?«
»Wird er leben?« sagte Perdikkas.
Nearchos betrachtete den harten Strategen, hart schon als Knabe, hart in Mieza, noch härter geworden durch die Jahre und die Entbehrungen und die Kriege. Die harte Stimme... Angst war unter der Härte, Angst vor einem unendlich großen, unersetzlichen Verlust. Und vor der Bürde, die sie alle würden tragen müssen.
»Leben?« sagte Philippos. »Ja, er wird leben. Einen Tag; vielleicht zwei; sicher nicht drei.«
Nach langem, langem Schweigen sagte Ptolemaios leise: »Unvorstellbar. Und ... was dann?«
Wieder Schweigen. Eumenes richtete sich auf und hieb auf den Tisch.
»Die Herren Makedonen schweigen? Dann will der feiste Hellene euch zwei Dinge sagen. Den Westfeldzug und diesen arabischen Irrsinn müssen wir... müßt ihr sofort abblasen. Mit gellenden Trompeten. Aber laßt die Truppen erst mal, wo sie sind. Oder, besser, zieht sie noch ein bißchen auseinander. All die Kämpfer auf einem Haufen, wenn... wenn es geschieht, das gefällt mir nicht.«
»Warum nicht?« sagte Ptolemaios, beinahe lauernd.
»Moment. Noch etwas. Trennt die hellenischen und asiatischen Einheiten, löst die gemischten Verbände auf. Oder bildet ihr euch ein, daß die Männer einem von uns, eh, euch gehorchen, unter diesen Umständen? Daß Alexanders Vermischungstraum durchführbar ist – ohne Alexander?«
»Trotzdem«, sagte Lysimachos. »Warum, selbst wenn getrennt wird, nicht alle – getrennt – nach Babylon holen?«
Perdikkas räusperte sich. »Es könnte Unruhen geben, nicht wahr? Gut; ich bin dafür, Eumenes. Aber – was dann?«
Meleagros stöhnte. »Stateiras Kind. Roxanes Kind. Beide ungeboren; vielleicht wird ein zweiter Alexander aus einem der beiden. Oder eine zweite Olympias. Barsines Sohn, Herakles.«
»Ein Bastard, mit dessen Mutter er nicht vermählt war, und zwei Ungeborene? Das Heer wird johlen«, sagte Seleukos.
Wieder ein langes Schweigen; lange Blicke, hin und her, ein Abtasten.
Philippos stand auf, packte seinen schweren Stuhl und schleuderte ihn in den Raum. »Das ist widerlich«, schrie er. »Er atmet noch, und ihr überlegt, wie ihr einander an die Kehle gehen könnt!«
»Kann man ihn noch fragen?« sagte Perdikkas allzu sanft.
Philippos hob die Arme. »Er spricht seit zwei Tagen nicht mehr. Aber – versuch’s. Ich« – er wandte sich an die anderen – »würde ihn aber nicht allein gehen lassen. Wer weiß, was er hört?«
Nach kurzer, hitziger Auseinandersetzung sagte Nearchos: »Zählt nicht auf mich, Freunde. Nun ja – Teilhaber. Ich scheide aus; ich bin Kreter, wie ihr wißt. Makedoniens Thron... Aber ich gehe mit, wenn ihr wollt; als getreuer Zeuge.«
Perdikkas ging; mit ihm gingen Seleukos, Ptolemaios, Philippos der Arzt und die beiden Hellenen, Eumenes und Nearchos.
Alexander lag auf dem breiten, prunkvoll beschnitzten Bett. Zu seinen Füßen und an den beiden Seitenwänden standen Fürstensöhne, Angehörige der Hetairenreiterei. Der König, von Fackeln und Lampen beschienen, wirkte grau und eingefallen; die
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