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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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war.
    Obwohl er sie verrannt und kurzsichtig fand, las der Kronprinz Mazedoniens mit einem gewissen Wohlgefallen die rhetorischen Haßgesänge des alten nationalistischen Demokraten, die alle Unternehmungen seines Vaters begleiteten und sie, plump genug für den Straßenpöbel, zersetzten. Dieser Intrigant mit der etwas finsteren Vergangenheit erreichte sogar manches in der großen Politik. Hatte seine Karriere nicht mit einem Prozeß gegen den eigenen Vormund begonnen, wobei er sich recht übler Kniffe bedient haben sollte? – Schließlich brachte er immerhin das Bündnis zwischen Athen und Theben zustande, allerdings als es schon nichts mehr nützte.
    Denn Philipp war inzwischen schon zu weit gekommen. Alexander verachtete den hitzigen alten Demosthenes um so gründlicher, da er letzten Endes doch nichts erreichte. Wer mit so unbedenklichen Mitteln arbeitete, mußte Erfolg haben. – Der andere, Philipp, dieser aufgeräumte und ungebildete Grobian – der nicht einmal rechtmäßiger König von Mazedonien war, denn er vertrat nur Amyntas, seinen kränklichen Neffen, des alten Perdikkas Sohn –, der hatte Erfolg mit allen seinen Listen und Ränken. Die Reihenfolge dieser fatalen Triumphe hielt Alexander sich in den Nächten vor, da er nicht schlafen konnte.
    Zäh war er gewesen, zäh und infam. Unerbittlich und listig hatte er eine Macht nach der anderen besiegt, einen Regenten nach dem anderen sich verpflichtet. Schließlich war es so weit: Mazedonien, vorgestern noch übersehenes Hirtenland, stand als die herrschende Macht da. Philipp verkündigte vor großer Versammlung: »Unter unserer Führung wird das vereinigte Griechenland gegen den asiatischen Erbfeind ziehen!«
    Aber der pathetische Demagog in Athen, Demosthenes, wollte es anders. Der hellenische Bund kam gegen Philipp zustande, sogar der zwischen Athen und Theben.
    Gehässig überlegte Alexander auf seinem Lager: »Freilich, da es zur Auseinandersetzung kam, wollte sogar ich unseren Sieg, obwohl doch nur mein Vater ihn genießen wird. Schließlich war es mein Eingreifen, das die Schlacht von Chaironea entschied –«
    Damals war es das zweitemal, daß Philipp aus Freude über den Sohn weinte; diese Instinktlosigkeit erfüllte Alexander mit Ekel. »Er merkt nichts«, dachte er, völlig angewidert; und er wandte sich kurz, beinahe unhöflich, als der gerührte Vater ihn umarmen wollte. Der stutzt, versteht nicht, bleibt, mit noch geöffneten Armen, täppisch stehn. Alexander, seitlich abgewendet, mißt den rüstigen, aber doch schon alternden Mann mit einem kurzen Blick von so gnadenloser Grausamkeit, wie nur Söhne für ihre Väter ihn haben: den harten, graumelierten Spitzbart, den sinnlichen und brutalen Mund, der stets feucht war; die derbe Nase, die klugen, hinterhältigen kleinen Augen. Nur, daß diese Augen jetzt naß sind, sieht der Sohn nicht, auch nicht das rührend Ungeschickte, Bittende, Hilflose in Philipps Geste. Er hört nur, wie der Vater mit einer Feierlichkeit, die nicht zu ihm paßt und die komisch wirkt, murmelt: »Mein Sohn, ich siege für dich, alles für dich – du sollst ein größerer König als ich sein –«
    Da dreht, mit einem Rest von Mitleid, Alexander endlich das Gesicht ganz fort, damit Philipp sein böses und verächtliches Lächeln nicht sehe.
    Nach der Schlacht bei Chaironea bewies sich, wie ahnungslos die Politik des Demosthenes immer gewesen war: während der König von Mazedonien Theben immerhin mit einer Besatzung bestrafte, faßte er mit Samthandschuhen das besiegte Athen an. Freiheit und Autonomie wurden ihm zugesagt; um ihre Gefangenen wiederzubekommen, mußten sie nicht einmal Lösegeld zahlen.
    Dafür hatte Philipp die Befriedigung, Ehrenbürger der Stadt zu werden, die ihn so leidenschaftlich bekämpft hatte; mit ihm sein General Parmenion und sein Sohn Alexander.
    IV
    Alexander und der idiotische Arrhidaios waren beinahe befreundet, obwohl manche bei Hofe den armen Hurensohn politisch gegen den rechtmäßigen Kronprinzen ausspielten. Seine schlampige Mutter, die grob geschminkte Philina, war längst auf und davon, niemand wußte, in welcher Hauptstadt sie‘s nun trieb. Aber manche fanden eine verschollene Kurtisane als Königin-Mutter angenehmer denn diese aggressive, aber undurchschaubare Olympias. Andere wieder, vor allem die Partei des schlauen Attalos, hofften auf den Sohn, mit dem die neue Königin, Kleopatra, schwanger ging.
    Dem Arrhidaios hing filziges Haar in eine niedrig eckige,

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