Alexander
Armee, unter Führung des Parmenion und des Attalos, über den Hellespont.
Bevor er mit den übrigen Truppen nachfolgte, sollte die Hochzeit der kleinen Prinzessin Kleopatra mit einem jungen Fürsten von Epiros gefeiert werden, und zwar sehr würdevoll in Aegä. Bei solchen Gelegenheiten zeigte Philipp sich konservativ, beinahe sentimental. Aegä, Mazedoniens ehemalige Hauptstadt, längst verlassen, verödet, galt traditioneller Weise als Stadt der Krönungen, Hochzeiten, Trauerfeste. – Der ganze Hofstaat brach von Pella auf, mit ihm der neugierigere Teil der Bevölkerung: in Aegä sollte es griechisches Theater, Maskerade und Prozession geben. Peinlich berührte, daß Olympias sich weigerte mitzukommen, sie blieb störrisch zu Hause.
Überhaupt war die Stimmung in der hohen Familie keine erfreuliche. Philipp, von seinen Offizieren umgeben, zeigte eine etwas penetrante Lustigkeit, als hätte er für heute noch einen besonders großartigen Scherz vor. Er machte dröhnende Andeutungen, schlug seinen Herren auf die Schultern, daß es krachte und wehtat; auch roch er schon seit frühem Morgen nach Alkohol. Als sehr taktlos fiel manchen auf, daß er sogar bei dieser hochoffiziellen Gelegenheit seine zweite Gemahlin, Frau Kleopatra, an der Seite hatte; obendrein war sie guter Hoffnung und für ihren Zustand viel zu prächtig geputzt. Um so unscheinbarer wirkte die junge Kleopatra, Alexanders mattes Schwesterchen, mit dem traurig leeren Gesicht. Ihre kleine Miene war blaß wie ein bißchen Schnee, und die traurigen Augen blickten hilfesuchend. Ihren jungen Fürsten kannte sie gar nicht, schien sich auch nicht besonders auf ihn zu freuen. Außerdem hatte sie am Abend vor dem Aufbruch nach Aegä wieder einmal Streit mit ihrer reizbaren Mutter gehabt, die nähere Umgebung der Damen wußte, daß die Königin ihre Tochter sogar geschlagen hatte, man erzählte sich von blauen Flecken auf dem Rücken der zarten Braut. – Auf die derben Scherze ihres halbbetrunkenen Vaters einzugehen, war ihr unmöglich, schon weil sie sie nicht verstand.
Auch Alexander lachte nicht während der Reise. Er hielt sich mit einigen seiner Kameraden abseits; unter diesen fehlten übrigens Kleitos und, was weniger auffiel, der entehrte Pausanias. Niemand wußte, wohin die beiden verschwunden waren.
Der freundliche Hephaistion versuchte seinen düsteren Prinzen aufzuheitern, indem er mit sanfter Stimme Skandalgeschichten aus der Hofgesellschaft erzählte. Auch die anderen wollten lustig sein, Philotas, des Parmenion Sohn, Nearchos, Krateros, Perdikkas, Ptolomaios, Koinos; sie probierten sich in kleinen Unanständigkeiten: »Man kann sich schon denken, warum der hübsche Pausanias heute nicht mitkommt. Der kann nicht mehr gehen und auf keinem Pferde mehr sitzen: König Philipp hat ihn verletzt!« Sie lachten dröhnend. Aber Alexander verzog keine Miene.
Der Scherz, den König Philipp für die Hochzeitsfeier sich ausgedacht hatte, war noch unpassender, als irgend jemand hätte fürchten können.
Der Zug der Götter verlief zur allgemeinen Befriedigung, die Wagen waren sehr prunkvoll hergerichtet, die Schauspieler sehr götterähnlich verkleidet, mit Andacht und Lüsternheit sah das Volk all den heiligen Luxus. Aber ihnen erstarb der Jubelschrei auf den Lippen, als mitten unter den Seligen des Olymps die groteske Maske auftauchte. Auf seinem Wagen dieses rotgesprenkelte Ungetüm blähte sich wie ein Truthahn, hatte eine lächerliche Vogelnase und abscheuliche Eselsohren. Geflüster, daß der Vermummte kein anderer als König Philipp sei, lief entsetzt durch die Menge. Das war zu viel, schon murrte man: es war Gotteslästerung. Die griechischen Gesandtschaften verbargen nicht, daß sie äußerst chokiert waren, die asiatischen schauten ruhig, aber angewidert. Ratlosigkeit in der Hofgesellschaft, fassungsloses Geflüster: Majestät hatten für Scham und Schande unzweifelhaft jeden Instinkt verloren; jedes religiöse Gefühl im Menschen so dreist zu beleidigen! Wollte er gar, daß er selber ein Gott sei, auf diese degoutante Art andeuten? So weit war man noch nicht, sogar die alten Militärs brummten.
Man sah sich neugierig, dabei ängstlich, nach dem Kronprinzen um: wie stellte er sich, was machte er für ein Gesicht zu des Vaters Entgleisung? – Alexander blickte finster zur Seite. Seine Freunde hetzten,‘ aber er winkte ab. Sie rieten: »Sprich zum Volk, Alexander! In diesem Augenblick hassen ihn alle! Er macht sich zum Gott, und zu was für
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