Alexander
seine armen Augen schwammen in Tränen.
Pausanias war von allen Edelknaben der üppigste, ein prachtvolles Geschöpf von träger, völlig weibischer Schönheit. Sein Mund, der schmollte oder im Lächeln erblühte, machte Männer und Frauen verrückt, ebenso der neckische oder sentimental trauernde Blick seiner grauen Augen, die er mit langen, sorgsam zugespitzten Wimpern beschatten konnte. Über der elfenbeinzarten, schöngewölbten, völlig leeren Stirn hob sich das kastanienbraune Haar zu seidig glänzendem Hügel. Sein Gang war der einer großen Hetäre, er wiegte gefallsüchtig Schultern und Hüften.
Er war völlig temperamentlos, aber schwer hysterisch. Die fixe Idee seines Herzens war, daß er Kleitos liebe. Während ihn, den erklärtermaßen reizvollsten Knaben der Hocharistokratie, die halbe Hauptstadt begehrte, hing er mit einer Treue, die es peinlich war anzusehen, dem Kleitos an, der allgemein als unscheinbar galt. Sein Masochismus sehnte sich nach Erniedrigung: Kleitos hatte ihm noch nicht einmal die Hand gestreichelt.
Nach dem Skandal bei der königlichen Tafel stürzte der arme Pausanias, ganz beleidigte Dame, ins Zimmer des vergeblich Geliebten. Seine Empörung machte ihn noch schöner, als er sonst war, wirres Haar im verstörten Gesicht, rannte er vor Kleitos Bett auf und ab.
»Wenn er mich noch ins Schlafzimmer gebeten hätte, gut, ich würde nicht nein gesagt haben, obwohl er mir, wissen‘s die Götter, nicht liegt! Aber so! Diese entwürdigende Rücksichtslosigkeit!« Er rauschte einher wie eine Fürstin, die man in Verbannung schicken will, blieb stehen, raffte das Schleppenkleid, das er nicht trug, rauschte weiter.
Kleitos, in seinem Bette, lächelte immer geheimnisvoller. Es strahlte boshaft in seinen Augen, dabei sagte er mit vor Sanftheit girrender Stimme: »Noch dazu hat er sich schon vorher damit gerühmt, ein kesser Alter, das muß man immerhin zugeben. Dein Renommee bei Hofe ist dahin. Nun bist du ein kleiner Lustjunge, wie die Hergelaufenen aus Griechenland, die es gerne für ein Abendessen tun.« Er schwieg listig, summte etwas, tat, als interessiere ihn die Sache nun nicht mehr.
Pausanias stampfte, glühte, endlich weinte er. Er sank, von Schluchzen geschüttelt, auf die Knie vor dem Bett des Kleitos. »So eine Gemeinheit«, flüsterte er in seine Tränen, dabei hatte er das nasse Gesicht in den Kissen des Freundes, »jetzt achtest du mich nicht mehr.« Diese Vorstellung war mehr, als er aushalten konnte, sein Schluchzen wurde zum Krampf, er warf sich hin und her, als schlüge man ihn mit der Peitsche.
Plötzlich hielt er den Atem an, er vergaß sogar die Tränen fließen zu lassen. War ein Wunder geschehen? Kleitos hatte die Hände in seinem Haar. Nun spürte er sogar seinen Mund, diesen unerreichbaren, erst im Haar, dann auf dem Halse, der nicht mehr zitterte, sondern stillhielt vor Glück. Gleichzeitig hörte er die sanfte und klare Stimme, die ihn hypnotisierte.
»Passe nun genau auf, mein Pausanias! Es gibt für dich nur noch einen Ausweg, gehst du ihn nicht, bleibst du für immer erniedrigt. Aber du bist ein Mann, mein kleiner Pausanias. Höre nur zu –«
Pausanias lauschte.
In der Morgendämmerung blieb Kleitos allein. Er hockte, die Knie hochgezogen und die Hände um sie geschlungen, auf seinem Lager, lange schweigend, nur lächelnd und wie nach lustigen Melodien den Kopf wiegend.
Als draußen die Vögel zu singen anfingen, drehte er das Gesicht zum Fenster. In den grauen Morgen hinein, der sich schon rosig umwölkte, sagte er mit einer frischen und heiteren Stimme: »Ich werde ihn auf dem Thron sehen – bald schon – das wird ein Spaß –«
Er pfiff etwas, da ein Wind ihn kühl anblies, zog er die Decke enger um sich zusammen. Er legte sich zurück, schloß die Augen, immer noch lächelnd.
Nach einigen Minuten schlief er.
Am selben Morgen kam die Antwort des Orakels, welches Philipp wegen des asiatischen Zuges befragt hatte:
»Siehe, der Stier ist bekränzt, es wartet das Opfer.«
Philipp fand den Spruch vieldeutig und verwirrend: die Frage blieb, wer der Stier war. Er ließ einige Gelehrte kommen, die das Rätsel höflich dahin deuteten: Persien sei der Stier, schon bekränzt, schon zum Fallen bereit. Immerhin blieb in Philipp eine gewisse Unruhe.
Aber er glaubte nicht mehr warten zu dürfen, mit einem Male bekam er es eilig. Seiner bemächtigte sich Nervosität, die er bisher nicht gekannt hatte. Eigentlich verfrüht, sandte er einen Teil seiner
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