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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Palastes, welche die Fresken des Zeuxis, Philipps Stolz, zierten. Sie saß inmitten des Saals auf dem Thronsessel, aber keineswegs im Staatsgewand, hergerichtet oder geputzt, vielmehr verwildert wie stets, mit zottig widerspenstigem Haar. Die breite Stirne gesenkt, schaute sie dem Prinzen mit dem verführerisch tiefen Blick entgegen. Da er sich elastisch ihr näherte, sich verneigte, ihr die Stirn und Hand zu küssen, lächelte sie, aber nicht nur mütterlich.
    Alexander blieb vor ihr stehen, er wartete respektvoll, was sie sagen würde. Sie maß seine Gestalt mit zunächst nicht zärtlichem, sondern eher prüfendem Blick; zärtlich wurde dieser Blick erst nach und nach. Alexander, mit dem schief gehaltenen Kopf, schwieg geduldig, bis sie ihn gründlich taxiert hatte.
    Endlich ließ sie die Augen von ihm, reckte sich, hob die Arme. »Wir sind so weit!« rief sie zur gewölbten Decke, mit ihrer grollend-jubelnden Stimme; und noch einmal, leiser, aber noch seliger: »Wir sind so weit, Alexander!«
    Worauf sie ihn an sich zog, mit einer Heftigkeit, die ihn bezauberte und erschreckte. »Höre!« flüsterte sie, nahe seinem Gesicht – er roch ihr zottiges Haar, ihren erregten Atem, unwiderstehlich bitteren Duft von Kräutern, allerlei getrockneten Pflanzen –, »Höre: jetzt gebe ich dir den Auftrag.« – Was kam nun? Alexander hielt den Atem an, mit aller Inbrunst seines Herzens erwartete er ihr entscheidendes Wort.
    Aber sie begann träumerisch und verschwommen. »Es gab Zeiten«, sagte sie, geheimnisvoll wie damals, als sie vom zerrissenen Orpheus erzählt hatte, »schöne, friedensfrohe Zeiten, da die Welt viel besser eingerichtet war, als wir Armen sie kennen, das Menschenleben sanft und zufrieden dahinging, bis zur feierlichen Stunde des Todes. Damals, mein Sohn, war es die Frau, die regierte, ihr war der Mann untergeordnet. Wir Frauen sind milder, klüger, fleißiger als ihr, wir wissen auch mehr von den Göttern. Unter unserer Herrschaft war die Erde beinah das Paradies.«
    Alexanders Augen flehten: den Auftrag! Aber Olympias beeilte sich nicht. Sie erzählte gemächlich: »Das Regiment des Mannes zerstörte bald alles Gute, was wir in Jahrhunderten aufgebaut hatten. – Philipp vereinigte in sich alle schlechten männlichen Eigenschaften, er war der Mann, darum haßte ich ihn. – Ein Glück, daß du nicht wirklich sein Sohn bist.« Sie lächelte hinterhältig.
    Alexander fuhr auf sie zu, er vergaß alles Zeremoniell, packte sie an der Schulter, schrie ihr grob ins Gesicht: »Nicht sein Sohn, Olympias?! Ich glaube kein Wort –« Er fürchtete wirklich, daß sie wahnsinnig sei, denn sie schüttelte wunderlich lächelnd den Kopf: »Nicht sein Sohn«, mit einer stillen Hartnäckigkeit. »Den Göttern sei Dank, daß er tot ist, ich habe es mir herzlich gewünscht«, sagte sie schlicht, fast gemütvoll. Mit fester, freudig-nüchterner Stimme fügte sie noch hinzu, dem Alexander ihr helles Gesicht zugewandt: »Denn jetzt bist du da, mein Sohn.«
    Sie faßte ihn an beiden Händen, nun war alles Träumerische von ihr genommen, sie redete deutlich und froh: »Philipp hätte noch dieses Jahr nach Asien den Zug unternommen; aber zu welchem Zweck? Um aus Asien, sollte es ihm irgend möglich sein, mazedonische Kolonien zu machen; um diesen Völkern, die die weisesten und reifsten sind, aufzudrängen seinen unfrommen, männlich plumpen Götterglauben; um die ganze Welt noch unglücklicher zu machen, als sie es heute, unter der Herrschaft des Mannes, schon ist.« Sie schüttelte sich beim Gedanken. »Es ist wirklich gut, daß er tot ist!« sagte sie noch einmal, abschließend. Sie wandte sich wieder pathetisch dem Sohne zu.
    »Dir aber, Alexander, gibt die Mutter den Auftrag. Ziehe nach Asien, liebend wird es sich dir unterwerfen, denn du bist schön, Enkel des Achill! Das mütterliche Asien wird dir gehorchen, denn du hast den Auftrag der Mutter. Dieser Auftrag geht nicht dahin, daß du erobern sollst, Männer haben schon so viel erobert. Eine Hochzeit wird anzurichten sein –«
    Wie sie aufsprang, sah er, daß ihr Antlitz tränenüberströmt war. Da weinte auch er, sie schloß ihn in ihre Arme, als sei er noch das Kind, das Märchen hören wollte. Weinend schlossen Mutter und Sohn im feierlich öden Festsaal ihr Bündnis. »Ich komme nach Babylon und will Kaiserin sein, wenn du gesiegt hast!« sagte sie, ihr nasses Gesicht an sein ebenso nasses gelegt. »Wenn du tot bist, übernehme ich allein die Regierung, das

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