Alexander
muß im Testament ausdrücklich festgelegt werden. Denn du lebst nicht sehr lang.« Aus halbgeschlossenen Augen prüfte sie noch einmal sein junges Gesicht, diesmal merkwürdig kokett, beinah boshaft: »Du lebst nicht sehr lang –« Dann weinte sie wieder, dabei zog sie ihn inniger an sich.
Wieder hörte der benommene Alexander ihre zauberhafte Flüsterrede an seinem Ohr: »Du selber wirst nicht sehr lange leben, mein süßer Sohn, ich weiß auch nicht, ob du jemals glücklich sein wirst. Aber du bist ausersehen, der Menschheit das Glück zu bringen, mein Alexander! Die geheimnisvollen Götter und ich, wir wollen es, Alexander! Du erzwingst es mit Liebe und Schwert! Du erzwingst es mit deiner Schönheit, mit deiner Jugend. Denn du bist jung, Alexander, siehe, das ist das Wunderbare –« Ihre Worte hörten in seinem Mund auf, sie küßte ihn, in den Kuß hinein flüsterte sie, man konnte es fast nicht verstehen: »An dem Tode dieses Philipp war ich natürlich nicht unschuldig – mit dem Kleitos hatte ich‘s ausgemacht – der kleine Pausanias war beauftragt –«
Da ließ Alexander sie los, so viel hätte sie nicht sagen dürfen. Auch sie merkte gleich, daß sie zu weit gegangen war, ganz königliche Würde saß sie wieder auf dem Thron, mit unnahbar gesenkten Lidern. Sie hielt dem Prinzen, der sich tief verneigte, die Hand zum Kuß hin. »Du kennst den Willen deiner Mutter«, sagte sie über ihm, eisig. Er richtete sich auf, sie sahen sich streng in die Augen. Das Wichtigste mußte unausgesprochen bleiben: er fragte sie nicht nach Kleitos, der sein Schicksal heimlich regierte. Er sagte nur noch, mit nachdrücklicher Höflichkeit: »Dein Wille war von jeher der meine.«
Sie schieden feierlich voneinander.
Philipp ist tot, einsetzt mit blendendem Überschwang die Aktivität des neuen Königs. Hatte man in Athen schon gejubelt? Und den armen kleinen Königsmörder in absentia zum Ehrenbürger gemacht? Aufgeatmet, da man sich von der neuen, lästigen Hegemonie schon befreit glaubte? – Athen rüstete, mit ihm die Ätoler und die Ambrakioten, die Elier und die Arkader.
Auf dem Thron der vielgehaßte Jüngling hat um sich nichts als Gefahr; überall bereitet sich gegen ihn die Verschwörung: in Hellas, bei den Barbaren des Nordens, in Asien und sogar am eigenen Hof. Der fatale Attalos mit dem gemein sinnlichen Mund im Gestrüpp üppigen Spitzbartes, der aus Kleinasien zurückgekommen ist, spinnt seine Fäden, wahrscheinlich bis nach Susa und Babylon. Des Königs Philipp altbewährte Generale sieht man gehässig flüsternd beieinander stehen: vor allem der in Tüchtigkeit ergraute Parmenion trägt eine unheilverkündende Miene zur Schau. Der Name eines Prinzen Amyntas, des alten Königs Perdikkas Sohn, wird immer wieder genannt: dieser sei es, dem der Thron rechtmäßig zukomme, denn nur als sein Vormund habe Philipp seinerzeit die Regierung übernommen.
Kleopatra, Witwe des gemordeten Monarchen, schreitet in dekorativem Kummer einher, sie begegnet dem jungen Stiefsohn pikiert-würdevoll. Im intimen Kreise läßt sie vorsichtig durchblicken, daß sie Olympias und ihren Sohn für durchaus nicht unschuldig an der Ermordung des großen Philipp halten könne. – Auch Arrhidaios, der melancholische Hurensohn, hat seine Partei.
In solchem Wirrwarr ergreift wahrer Tätigkeitstaumel den Alexander. Freunde raten zur Vorsicht, warnen, geben allerlei zu bedenken. Hephaistion hält ihm in langen abendlichen Gesprächen sorgenvoll-liebreich das absurd Gefährliche seiner Lage vor. »Gegen dich sind alle, gegen dich Orient und Okzident, Griechenland und Mazedonien verbündet.« Alexander lacht strahlend.
Er beruft, ehe er seine Züge beginnt, den Rat der Amphiktyonen nach den Thermopylen; er erneuert den Bund von Korinth, läßt sich als dem ›unumschränkten Feldherrn der Hellenen‹ huldigen. – So tritt, zur Verblüffung der Völker, der kaum Zwanzigjährige seines Vaters Nachfolge an.
In seinem Herzen reift stündlich und minütlich der große Plan seines Lebens; er erfüllt und bedrängt ihn, er läßt ihn nachts aufwachen und vor Glück lächeln; er gibt seiner Stimme Helligkeit, seinem Blick Glanz. – Freilich, viele Angelegenheiten sind vorher zu ordnen, um Mazedonien herum müssen die aufsässig gewordenen Völker beruhigt werden. Mit Thessalien macht er schnelle Versöhnung; andere bleiben: Thraker, Geten, Triballer, Illyrier. Er besiegt die Triballer, die einstmals Philipp frecherweise angefallen
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