Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
Vom Netzwerk:
haben, schlägt ihren Fürsten Symos, ohne einen eigenen Mann zu verlieren; besiegt beim Passe von Pelion die Illyrier.
    Da er verwundet ist, glaubt man ihn in Athen auch schon tot; man triumphiert wieder, rüstet, der böse alte Demosthenes nimmt, weil schon alles gleich ist, dreihundert Talente vom Großkönig an. Plötzlich steht Alexander vor Theben. Da die Stadt hartnäckig bleibt, muß sie schauerlich büßen, man erzählt sich in Athen gruselnd von Feuerbränden, zerstückelten Leichen und beschmutzten Heiligtümern. Auf diesen Jüngling mit den weiten, unheimlichen Augen und der leuchtenden Stimme schaut man mit Ehrfurcht und Angst; welche sturmesgleiche Kraft hier am Werk ist, fängt sogar Demosthenes zu ahnen an. So schließt Athen Frieden.
    Das Nötigste ist getan; mit einer Ungeduld ohnegleichen stürzt sich Alexander in die Vorbereitungen zu dem phantastischen Unternehmen, das sein Geist will. Er teilt ein, beschließt, organisiert. Den Attalos wegen Hochverrates hinrichten zu lassen, hat sich leicht ein Vorwand gefunden; auch Amyntas ist schon beseitigt, nur den Arrhidaios schont der junge König, niemand versteht warum. Olympias, schwelgend in ihrer Macht, gibt Befehl, Kleopatra zu erwürgen, die ihre schlimmste Feindin und Rivalin war; sie läßt der Leiche das Embryo aus dem Bauche nehmen, das sie unter schauerlichen Flüchen verbrennt.
    Mit einer Brutalität, die in ihm keiner vermutet hätte, ordnet Alexander alles nach seinen Wünschen. Keiner sieht ihn mehr lustig oder grüblerisch, sogar gegen den Hephaistion ist er sachlich und kurz. Die Augen haben den fast schwarzen, konzentrierten und hartleuchtenden Blick, den seine Umgebung fürchtet. Um den Mund sind stählerne Muskeln.
    Nach außen hin ist die Begründung seines asiatischen Zuges der panhellenische Rachegedanke: Was Xerxes den Griechen angetan, will Mazedonien an Dareios Kodomannos rächen. Er behauptet, Philipps Testament zu vollstrecken, nur auszuführen, was dieser geplant. Dabei entfernt er sich immer weiter von Philipps Ideen. Sein Vater wollte nur das Vernünftige, Begrenzte, ihn zieht allein das Grenzenlose an. Philipp hatte sich zunächst um die Geographie Kleinasiens gekümmert; Alexander studiert schon die klimatischen Verhältnisse Irans, läßt sich über Baktrien und Sogdiana berichten.
    Schiffe werden gerüstet. Truppen senden Griechenland, Thessalien, Thrakien. Er inzwischen, in trunkener, besinnungsloser Freigebigkeit, verschenkt beinah alles, was sein ist, den gesamten privaten Besitz, als wolle er sich gewaltsam von jeder Bindung befreien.
    Der katergesichtige Parmenion, mit dem treuen Soldatenblick ehrfürchtig von unten schauend, gab allerrespektvollst zu bedenken, daß es, das Land ohne Thronfolger zu lassen, gerade bei so gefährlichen Läuften unverantwortlich sei. Er schlug verschiedene Damen der hohen Aristokratie, auch fremde Prinzessinnen, zur Gemahlin vor, wobei er nie vergaß, mit einem unanständigen Greisenschmunzeln die körperlichen Vorzüge des betreffenden Mädchens zu preisen. Der junge König lachte kurz und verächtlich; Hephaistion, der bei ihm war, lachte mit.
    Als der Winter zu Ende ging, brach mit einer Armee von dreißigtausend Fußsoldaten, fünfhundert Reitern König Alexander nach dem Hellespont auf. Von seiner Mutter verabschiedete er sich nur noch zeremoniell, in Gegenwart einiger Offiziere. Er hatte, seit ihrer entscheidenden Unterredung, nicht mehr allein mit ihr gesprochen.
    Als Reichsverweser wurde Antipatros eingesetzt.
    Sie zogen über Amphipolis längs der Küste, über Abdera, Maroneia, Kardia, waren am zwanzigsten Tage in Sestos. Die Flotte wartete schon im Hellespont. Gegenüber lag Troja. –
    Alexander, am Bug des Schiffes, träumte mit weit aufgerissenen Augen. Diese Träume wurden zu groß, er mußte von ihnen sprechen. So versuchte er es, dabei zitterte seine Stimme vor Angst, er könne sich nicht deutlich machen, nur Andeutungen geben, die niemand verstand.
    »Wenn dieses glückt, Hephaistion, dann ist das Ziel der Menschheit erreicht. Blut wird fließen, aber das Ziel ist erreicht. – Oh, Hephaistion –« Er verstummte, denn schon merkte er, daß der andere nichts begriff. Er merkte, daß er, wie nur je, alleine war. Einsamkeit machte ihn demütig, nicht mehr stolz; er suchte dem näher zu kommen, der fremd neben ihm stand.
    Hephaistion sah, wie im bewegten Dunkel der Kopf Alexanders ihm zusank. Sie spürten beide auf den Lippen den Geschmack des salzigen Wassers.

Weitere Kostenlose Bücher