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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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großer, aber unreiner Seele mischte sich in den tiefen Schmerz um den einzig Geliebten eine Angst um das eigene Leben, die noch tiefer und heftiger war. Wenn dieser gestorben ist, der das Leben selbst schien: wie leicht konnte es nicht ihn, den Gilgamesch, treffen. So fürchtete er sich und klapperte mit den Zähnen.
    Aus Qual und Ratlosigkeit machte er sich auf, den eingeweihten Utnapischtim zu besuchen, der am Ende der Welt wohnte und ihm das Geheimnis des Lebens verraten konnte. Die Reise zu ihm währte Jahre, am Ende hatte der Fürst von Uruk, den man edelsteinüberladen gekannt hatte, nur noch lausige Lumpen und Felle an.
    Er kam durch alle Städte der Menschen, dann durch Wildnis und Wüste, schließlich durch verzauberte Gegenden, an Drachenschlössern vorbei, durch das schwer zugängige Reich der Skorpionmenschen, durch verwirrende Edelsteinwälder, schließlich zu dem großen Wasser, das der Welt Ende ist und hinter dem Utnapischtim wohnt. Weiter war kein Sterblicher gekommen; Gilgamesch mußte weiter, denn er war angsterfüllt und gierig danach, zu erfahren, wie alles zusammenhängt und wie man das ewige Leben erwirbt. So brachte er den Fährmann Schanabi dazu, ihn über das Wasser zu nehmen, was mehr Qualen, Anstrengungen und Entbehrungen kostete, als je ein Mensch auf sich genommen. Dieser trug sie, da er wissen wollte.
    Seine erste Frage an Utnapischtim, der ihn mit erstaunter Würde empfing, lautete: was der Tod sei. Der Eingeweihte antwortete zurückhaltend: Wütend ist der Tod, keine Schonung kennt er. Seit jeher gibt es keine Dauer.« –
    Alle sahen Alexander eine Bewegung machen, als wolle er dem Erzählenden aufzuhören gebieten; Kleitos allein schien nichts zu bemerken, vielmehr wurde er immer ausführlicher.
    »Statt weiter auf Gilgameschs maßlose Fragen einzugehen, erzählte Utnapischtim seine eigene Geschichte, die wunderbar war, denn er als Einziger hatte die große Flut überlebt, mit der die Götter einstmals eine gar zu üppig und verbrecherisch ins Kraut geschossene Menschheit gezüchtigt hatten. Da Adad das weite Land wie ein Geschirr zerbrach und so schrecklich wütete, daß sogar die Götter sich gleich Hunden verkrochen, rettete sich der sehr, sehr Kluge mit Familie und einigem Getier in das Fahrzeug, dessen Maße Ea selbst ihm angegeben. – Wie öde und feierlich kam ihm Stille entgegen, da er sein Fahrzeug wieder verließ und sah: die Menschheit war allzumal zu Erde geworden. ›Über mein Antlitz gingen Tränen nieder‹, schloß der Alte, dem die Götter die Unsterblichkeit gegeben hatten. –
    Gilgamesch lauschte atemlos, aber seine Augen bettelten und flehten um das ›Eigentliche‹. Der sehr, sehr Kluge empfand Mitleid, so verriet er ihm das Geheimnis: Wenn er auf den Grund des Meeres steigen wolle, könne er in der Tiefe das Kraut finden, welches das verheißene und lebenspendende ist. – Gilgamesch in seiner großen Gier band sich Gestein an die Füße und fuhr zur Tiefe. Unten traf er das Kraut, nach dem er ausgezogen war; es fühlte sich stachelig an. – So durfte er sich auf den Heimweg machen. Aus Dankbarkeit nahm er Schanabi, den getreuen Fährmann, mit.
    Da er unterwegs badete, um ein wenig Erfrischung zu haben, roch die Schlange das wundertätige Gewächs, das er am Ufer versteckt hatte; doch nicht sorgfältig genug, denn sie stahl es ihm, während er plätscherte. – So war er umsonst gewandert, all die Jahre lang, er kehrte ohne das Geheimnis zurück, wie er ausgezogen, nur viel älter geworden, beinah ein alter Mann. Er regierte in Uruk, aber ohne viel Freude. Der wackere Schanabi blieb sein Minister.«
    Wie Kleitos verstummte, lag auch auf der Runde bedrücktes Schweigen. Seine Trauer hatte alle im Bann. Nur Alexander lehnte sich auf, er lachte plötzlich, während alle anderen bedrückt in die Becher schauten. Dieses Lachen, das rauh, aber unbekümmert begonnen hatte, verstummte unter dem Blick des Kleitos, der grausam-ruhig dem finster erregten des Alexander begegnete.
    Während er seine Geschichte zu Ende erzählte, ließ Kleitos diese eisig stillgewordenen grauen Augen, deren schwarze Pupillen sich zu vergrößern und dabei sehr starr zu werden schienen, nicht mehr vom König. Er wandte sich nur noch an ihn, mit einer kummervoll gedämpften, dabei silbrig klaren Stimme; die übrige Gesellschaft war vergessen.
    »Erst einige Jahre später erreichte Gilgamesch ein Zusammentreffen mit Enkidus Schatten, bei der unterweltlichen Majestät Ereschkigal

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