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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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setzte er‘s durch.
    Es kam zu keinem rechten Gespräch zwischen den beiden, sie blieben sich fern. Gilgamesch, in dessen Herzen nichts mehr war als Wissensdurst und Todesangst, schmachtete danach, das eigentliche‘ zu hören; Enkidu fand nichts Tröstliches; auch nicht, daß noch Liebe zwischen ihnen sei. Nur, wie fürchterlich es wäre, tot zu sein, sagte er aus. ›Siehe, der Freund, den du umfaßtest, daß dein Herz sich freute, den fressen die Würmer, gleich wie ein altes Gewand.‹ – Das war eigentlich ihr ganzes Gespräch.
    Gilgamesch stellte noch hastig einige Fragen, aber der schmerzensreiche Schatten antwortete nur: ›Wenn ich die Ordnung der Unterwelt, die ich schaute, dir sagte, müßtest du dich den ganzen Tag hinsetzen und weinen.‹ Schon jetzt weinte Gilgamesch. Schließlich wollte er nur noch wissen, welches Los denn dem Geist beschieden sei, der auf Erden keinen ›Pfleger‹ habe; denn er selber hatte ja keinen Pfleger, bei all seiner Herrlichkeit – :, Sahst du einen solchen?‘ fragte er deshalb in seiner Angst. Der Schatten antwortete:
    ›Ja, ich sah; im Topf Gebliebenes, auf die Straße geworfene Bissen mußte er essen.‹ – Damit verschwand er. –
    Bald darauf starb der Fürst von Uruk, obwohl er zu zwei Dritteln Gott war. Sein Leben lang war er rastlos, maßlos und unruhigen Herzens gewesen.«
    Alle hielten die betrübten Stirnen gesenkt, dem Hephaistion liefen große Tränen über das sanfte Gesicht. Kleitos ließ die rätselvollen Augen, die im Halbdunkel schimmerten, nicht vom König.
    Der befahl Wein, wobei er mit übertriebener Geste auf den Tisch schlug. »Du weißt unangenehme Geschichten«, sagte er zu Kleitos; seine Worte waren unnatürlich, wie seine Bewegung. Kleitos lächelte nur.
    Der König trank, er wurde lauter und ermunterte die Gesellschaft, indem er selber sich gehen ließ, zu immer gröberer Lustigkeit. Wie er, mit geröteter und gedunsener Miene, schon verglasten Augen, alle zu reichlicherem Trinken drängte fast zwang, konstatierten viele, daß er an seinen Vater erinnerte.
    Obwohl manche ihn unheimlich fanden, grölten alle mit ihm. Nach einer halben Stunde gab es nur noch Betrunkene oder solche, die sich so benahmen. In einem Gewühl von Schreienden, Zotenreißenden, Taumelnden, Spuckenden saßen, als die einzigen, die still geblieben waren, Hephaistion und Kleitos; der eine angstvoll, unruhig, beklommen, der andere von leiser, versonnener und entfernter Heiterkeit.
    Am Ende der Tafel war einer der Literaten und gelernten Schmeichler auf eine Idee gekommen, die man allgemein vorzüglich fand: Jeder, wurde beschlossen, sollte eine Lob- und Ruhmesrede auf Alexander halten, auf seine Taten und auf seine glorreiche Person. Wer es am besten machte, würde einen goldenen kleinen Gegenstand bekommen. Dem benommenen Alexander schien der Plan zu gefallen; unten fing schon einer an mit seinen Tiraden.
    Er trug faustdick auf. Man hätte schon allzulang, meinte der Schwätzer, die Leistungen älterer Heroen gepriesen, der Herakles, Perseus und Theseus; habe doch Alexander, der Mazedone, sie samt und sonders um ein Erhebliches übertrumpft, ja, sogar die Heiden Homers in den Schatten gestellt. »So hat der Enkel den Urahn überboten: Alexander wurde größer als Achill!« Seine Schlußpointe donnerte der lügnerische Mensch mit selbstgefälligem Pathos; man klatschte Beifall. Auch Alexander klatschte, aber nur kurz.
    Denn plötzlich richtete er den Blick, der nicht mehr glasig war, auf Kleitos. Mit einer Hand, die nur sehr wenig zitterte, wies er auf ihn: »Jetzt soll der mir eine Ruhmesrede halten!« sagte er mit schwerer Zunge langsam und drohend. Alles verstummte, schaute auf Kleitos; der lächelte, als ginge ihn hier nichts an.
    Der König, noch einmal, mit finsterer Hartnäckigkeit: »Jetzt soll der mir eine Ruhmesrede halten –« Und da Kleitos immer noch lächelte, nicht einmal zu ihm hin sah – mit einer wütend geduckten Stirn, unter der die Augen schwarz brannten:
    »Hier am Tisch sitzt einer, der mich verachtet und der nicht zu meinem Ruhm reden will. Der findet, ich sei rastlos, maßlos, unruhigen Herzens immer gewesen. Und essen soll ich, was im Topf geblieben ist. Das also bietet er mir an. Soll ich euch verraten warum? Ich habe ihn einmal sehr gestört, ich habe ihm einmal beinah die Figuren verdorben, das verzeiht er mir nie. Wenn der wüßte, wie er mich gestört hat, seit ich denken kann, seit ich atmen kann – oh!«
    Wie er den Kopf

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