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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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zurücklegte und schrie, wußte keiner, ob er den Anblick eines Jammernden oder eines Zürnenden bot. Ein verzweifelter und Unglück bringender Gott stand er, von Angst und kalter Neugier umgeben, allein wie noch nie an der Spitze seiner festlichen Tafel, mit nach hinten gesunkenem Haupt, schmerzlich klaffendem Mund, Händen, die sich ineinander verkrampften.
    Indessen bedrängten Kameraden den Kleitos: er müsse sprechen, sonst passiere ein Unglück. Da Kleitos aufstand, war sein Gesicht heiter wie je, freilich noch um einen Ton blasser. Es hatte ganz den bleichen Schimmer der Perle, vor allem von der glatten Stirn ging ein Glanz aus, darunter die Augen, die so grausam wie heiter und friedlich schauten, waren von den erweiterten Pupillen beherrscht.
    Er begann zu sprechen, sehr leise, aber silbrig klar und ganz deutlich. Alexander, mit gierig hingehaltenem Ohr, halbgeöffnetem Mund, lauschte mit einer Inbrunst, als gelte es, die Entscheidung seines Lebens, von der Glück und ewige Trauer abhingen, hier und jetzt, aus diesem Mund zu erfahren.
    »Man sagt allgemein, du habest große Taten vollbracht«, hörte er die Stimme des Kleitos. »Ich verstehe ja davon nichts. Auch habe ich nicht darauf geachtet, ich hatte doch an anderes zu denken. In der Welt, in der ich lebe, Alexander, hast du nichts ändern können. Nicht einmal gestört hast du mich. Ich kenne dich gar nicht«, sagte er langsam und sah ihn mit einer unbarmherzigen Nachdenklichkeit an. »Wenn ich an dich dachte, empfand ich immer nur Mitleid. Hast du nicht zu meinen Füßen gelegen?«
    Er kam nicht weiter, denn Alexander hatte der Wache, die hinter ihm stand, die Hellebarde aus der Faust gerissen. Er schwang sie; ehe man schreien konnte, flog sie auch schon.
    Kleitos sank langsam. Keiner hatte einen Laut des Schmerzes oder Entsetzens aus seinem Munde gehört, der weiß wurde wie seine leuchtende Stirne.
    Als Alexander drei Tage und drei Nächte im verdunkelten Zelt allein gewesen war, glaubte er, die Götter würden gnädig sein und ihm den Verstand nehmen. Er hatte Tausende von Malen das Schicksal, das er selbst sich zumutete, zu Ende gedacht, nun hoffte er, sogar seine Leidenskraft sei zu Ende. »Gebt mir Dunkelheit!« flehte er zu den Mächten. Aber das Licht blieb, mit ihm das Bewußtsein einer Einsamkeit, die unertragbar wurde.
    Er gestattete dem Hephaistion, zu ihm zu kommen, empfing ihn sanft und gefaßt. »Töte mich!« bat er zärtlich. Der andere stutzte, wußte nicht, was zu tun, faßte hilflos, wie damals auf dem Schiff, nach seiner Hand. »Töte mich!« bat noch einmal Alexander. »Hier ist mein Schwert –«
    Mit einer Gebärde, in der alle Müdigkeit lag, die nach diesen dreimal vierundzwanzig Stunden über ihn gekommen war, deutete er auf die Waffe, die neben ihm lag. »Tu es doch!« forderte er sanft. Mit einem traurig entgleitenden Blick fügte er noch hinzu: »Wenn ich es selber tue, habe ich doch keinen Pfleger –«
    Da Hephaistion das bittend hingehaltene Schwert nicht nehmen wollte, wandte sich Alexander, enttäuscht wie noch nie. Nach einer langen Pause sagte er nachdenklich: »Habe ich ihn denn geliebt, Hephaistion?« Hephaistion, den die Tränen würgten, nickte.
    »Doch, geliebt habe ich ihn«, entschied wehmütig Alexander. Nun weinte auch er; wie es schien, mehr aus Müdigkeit als aus Schmerz. Er weinte, ohne das Gesicht zu verziehen, sanft und reichlich flossen die Tränen aus seinen Augen, die solche Wohltat nicht mehr gewohnt waren.
    »Nimm doch das Schwert!« bat er nochmals; aber dabei ließ er sich schon, endlich nachgebend, dem Hephaistion in die Arme sinken, die der fest um ihn schloß.
    »Statt mich zu töten, küßt du mich. Du küßt mich, statt mich zu töten.« – Hephaistion, der ihn wie ein Kind wiegte, wußte nicht, ob Alexander diese Worte aus Dankbarkeit oder als wirkliche Anklage immer wieder lallte, bis er einschlief.
    IV
    Da einige Soldaten der großen Armee auf ihren Streifzügen ahnungsloserweise das Gebiet der Amazonen betreten hatten, schickten diese Gesandtinnen und erklärten den Krieg, so sehr fühlten sie sich beleidigt.
    Erst gab es großes Gespött und Gelächter im Lager, sogar den Alexander machte der Zwischenfall lustig. Gegen diese geharnischten Damen zu kämpfen, dachte er sich amüsant, es brachte endlich Abwechslung. Die Laune seiner Soldateska mußte steigen, hatte man diesen originellen Feind erst besiegt und die Gefangenen in den Zelten. Durfte man von den Botinnen auf die übrigen

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