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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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»Meine griechischen Knaben!« rief er; er küßte jedem die Stirn. Ihnen liefen große Tränen über die kindlichen Backen.
    Es wurde ihnen schauerlich zumute, denn aus den Wänden kam Modergeruch, und das Fackellicht ließ phantastische Schatten tanzen. Von Schatten umtanzt begann Hermelaos seinen Plan zu entwickeln.
    Jeden Morgen hatten drei Pagen persönlichen Dienst beim Monarchen. Es sollte ausgelost werden, welcher von ihnen den Alexander im Bade erwürgen sollte; »welcher der Tyrannentöter sein darf«, schloß Hermelaos und sah drohend um sich.
    Die Knaben schauten grimmig und zum Letzten entschlossen. In den Haß gegen Alexander, den mazedonischen Gewaltherrscher und Peiniger Griechenlands, hatten sie sich seit Jahren gesteigert; in den letzten Monaten hatte der eitle Kallisthenes das seine dazu getan, ihn glühend zu machen. Diese Stunde des zum Bunde vergossenen Blutes, des großen Schwures und des finsteren Planes erschien ihnen die großartigste ihres Lebens.
    Das Los fiel auf einen der jüngsten von ihnen, ein blondes Kind mit unfertig süßem Gesicht. Dieses arme, zwölfjährige Gesicht wurde kalkweiß, als das Kind vortrat, in den düster blickenden Kreis der Verschwörer.
    »Fühlst du dich fähig?« fragte Hermelaos. Kallisthenes wiederholte mißtrauisch die Frage.
    Das Kind nickte heldenhaft; dabei zitterte freilich sein Mund.
    Nach einer schlaflosen Nacht voll Tränen und klappernder Angst, voll Gebeten und Jammer lief der Kleine zu Alexander und verriet alles. –
    Alexander ließ es sich, die Untersuchung persönlich zu leiten, nicht nehmen; er verhörte jeden der jungen Leute einzeln, dann alle zusammen. Ängstlich beobachtete ihn Hephaistion, der im Hintergrund lauschte.
    Diese Verschwörung hatte den König entsetzt und gekränkt, wie nichts anderes. So also stand die Elite seiner Jugend zu ihm, seine nächste Umgebung, seine Söhne beinah.
    Er untersuchte und fragte mit einer leisen, unheimlich flüchtigen Stimme, manchmal lachte er kurz durch die Nase, wenn die Antworten ihn zufriedenstellten. »Aha, ich kann‘s mir schon vorstellen – Ihr lagt so nachts beieinander. Aber wem kam nur als erstem der Einfall? Das wäre interessant.«
    Die Knaben standen mit gesenkten Gesichtern vor ihm. Aufzuschauen wagte nicht einer, sie wußten, daß sein Blick wehtat. Die Hände, die ihn hatten töten wollen, ließen sie hängen, wie Bleigewichte so schwer.
    Alexander sah aus eiskalten Augen, die erweitert und schwarz waren, auf ihre rührenden und schönen Figuren. Er prüfte mit einer Unbarmherzigkeit, die ihn selber entsetzte, ihre schmalen Hüften, sehnigen Knie, den jungen Mund, das junge und lebendige Haar. »Das alles werde ich hinrichten lassen.«
    Einer von ihnen stürzte, so zitterten ihm die Knie. Alexander dachte mit Grauen: »Sie sind vor mir nichts als Angst. Ich wollte doch, daß sie mich liebten.« – Seine Fragen beantworteten sie mit klanglosen Stimmen. Übrigens log keiner mehr. Es kam ihnen vor, als wisse dieser da sowieso schon alles.
    Hermelaos erschien mit tänzerischen Hüften und beweglichen Schultern. »Sein Kopf ist gutrassig«, dachte Alexander, der ihn taxierte. »Schmaler Langschädel, mit langer, etwas höckeriger Nase. Keine Augenbrauen und einen kokett zusammengezogenen, verzerrt lächelnden Mund.«
    Er war der erste, der‘s wagte, dem Alexander ins Gesicht zu schauen; mit einem süßlich feigen, dabei frechen, farblos boshaften Blick. »Hier bin ich, König –«, sagte er geziert. Auf seinen Wangen glomm die hektische Röte.
    Alexander maß ihn vom Kopf bis zu Füßen. Er durchschaute, erriet ihn, ihm blieb nichts geheim. Dieser war rachsüchtig und weibisch, im Geistigen unklar, aber aus beleidigter Eitelkeit zu allem bereit. Ohne Frage, er war vernachlässigt worden; so hätte er, sonst ein empfindsamer Tänzer, lächelnd zuschauen mögen, wie man seinen König auf langsamer Glut röstete.
    »Du bist nicht ungefährlich«, schloß Alexander seine Betrachtung. Der Page senkte eitel den Blick. »Affe!!« donnerte der König. Daraufhin wich das ungesunde Rot von den Wangenknochen des Hermelaos, sein mageres Gesicht verfiel gelblich. Alexander wandte sich angeekelt. Er begann wieder Fragen zu stellen, rasch, leise, exakt. An der Wand standen angstvoll schweigend die Knaben in einer Reihe.
    »Du hattest also als erster den Plan, daß ich im Bad erdrosselt werden sollte.« – Hermelaos, mit einer bebenden Unverschämtheit, die leicht zum Weinkrampf umkippen

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