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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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diese Weisheit fühlten sie sich noch nicht reif, trotzdem rührte sie wunderlich ihre Herzen. Gegen solche Rührung wehrten sie sich, sie empfanden sie fast als Schwäche.
    Sie fingen schon an, den Kampf nicht mehr so wie früher zu lieben. Früher hatte es sie gelangweilt, daß man oft mit friedlichen Abmachungen zum Ziel kam; heute waren sie dankbar.
    Das freundliche Land, dessen Hauptstadt Nysa hieß, war von dreißig edlen Männern regiert. Hier wurden die Griechen besonders andachtsvoll aufgenommen, denn die Einwohner Nysas behaupteten des Dionysos Nachkommen zu sein. Man glaubte es ihnen, sie waren groß gewachsen, braunhäutig und klug.
    Die Hellenen lauschten mit Ehrfurcht, wenn diese angenehm gebauten Fremdlinge, die ihre Verwandten zu sein behaupteten, von den Taten und Abenteuern des Dionysos erzählten. Er war der einzige Abendländer, der vor ihnen bis hierher ins zauberische Land gekommen war. Alexanders Soldaten durften sich als seine Nachfolger fühlen, was sie stolz und fromm stimmte.
    Ihren König, den sie beinah gehaßt hatten, liebten sie wieder. Er war wieder der Griechengott, der sie führte, Sie verstanden seine Absicht sowenig wie jemals. Aber da er sie in gesegnetes Land führte, glaubten sie wieder an ihn. –
    Fürst Taxila übergab ihnen seine Residenz, die als schönste Stadt zwischen Indus und Hydaspes galt. Keine andere konnte schöner sein: diese prunkte mit Tempeln, in deren Schnitzereien Götter, Tiere und Gewächse üppig sich ineinanderverflochten; in den duftenden und weiten Gärten ruhte zwischen rosigen und violetten Büschen das blaue Wasser in den weißen Marmorbecken der Bassins. Weiße Pfauen schlugen ihre Räder, wobei durch ihren ganzen eitlen Leib ein Zucken lief, ein Vibrieren von Hochmut; andere Vögel waren bunt mit Glitzergefieder, goldbronzierten Schnäbeln, purpurnen bösen Augen. Geschmückte Elefanten trabten durch die weiß steinernen Gassen, aus denen Gesang, Wohlgeruch und Wärme stieg. – Die Nachfolger des Dionysos glaubten sich nicht mehr auf dieser Erde, sicher waren sie im Paradies der Verheißung.
    Alexander indessen empfing Gesandtschaften. Viele Fürsten schickten zum Zeichen der Unterwerfung Geschenke. Nur Poros, von dem alle mit Besorgnis und Ehrfurcht sprachen, blieb trotzig. Er ließ ausrichten: mit bewaffneter Hand werde er den König an seines Reiches Grenze erwarten. Man mußte also gefaßt sein.
    Kehrten von ihren Streifzügen die Soldaten ins große Heerlager zurück, erzählten sie einander das Tollste und Unglaublichste. Sie überboten sich in ungeheuerlichsten Geschichten, jeder hatte etwas noch Phantastischeres erlebt.
    Unter den üppigen Gewächsen kauerten sie im Kreise; da die Nacht unruhig war, konnten sie doch nicht schlafen. Es duftete und wehklagte aus dem Dickicht der Wälder. Die Affen turnten, viele hatten die fetten Schlangen gesehen, die sich bunt und gebläht um die Bäume legten. Da auch die Vögel schrien und flatterten, hätte man alleine bestimmt Angst bekommen. So lagerte man lieber im Kreise und log sich allerlei vor. Große Löwen, Riesenschlangen, Elefanten waren nicht mehr interessant genug. Aber Skorpione gab es, stachelige, groß wie Hunde, die schauerlich hüpften und krochen. Ihnen zu entfliehen war beinah unmöglich, denn sie konnten auch große Sprünge tun. Sie töteten nur aus Grausamkeit, Menschenfleisch fraßen sie nicht. Doch hielten in ihrer Nähe sich die großen weißen Füchse mit den roten Augen; diese waren es, die die Opfer der Rieseninsekten verspeisten; manche Soldaten hatten es selber gesehen.
    Andere waren dem sechshändigen Affenmenschen begegnet, der behaart war und stank. Er konnte sechse auf einmal erwürgen, jeden mit einer Hand. Dazu lachte er, aber wie scheußlich. Er lachte dumpf und meckernd, grollend belustigt, daß es widerlich zu hören war.
    Einer hatte die unangenehme Bekanntschaft mit dem verwunschenen Obstbaum gemacht. Der stand mitten auf einer Wiese, breit, schöngeformt und allein; die Früchte, die er trug, schimmerten so verlockend und strotzend, daß sie sogar für Indien Seltenheiten waren. Doch wollte man sich harmlos eine dieser fetten Birnen pflücken, hatte man auch schon die fatalsten Schläge im Gesicht. Von völlig unsichtbarer Hand geschwungen, prügelten die Zweige auf den ahnungslosen Übeltäter los, dazu rief eine Stimme so dröhnend, daß man, von Entsetzen gelähmt, nicht fortlaufen konnte, vielmehr stillhielt, sogar noch blutüberströmt.
    So erriet man in

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