Alexander
konnte: »Den Plan hatte ich.«
»Du hast aus Bosheit vergessen, daß alles, was ihr seid, ihr durch mich seid.«
»Ich weiß sehr wohl, daß wir alles, was wir sind, durch Euch, König, sind: elend, verlassen, preisgegeben Barbaren, die Ihr bevorzugt –«
»Du schwätzest!« schrie ihn der König an, plötzlich blutrot im Gesicht. »Du redest, was Kallisthenes flunkert, nach.« Hermelaos hatte wieder das süßliche Lächeln auf dem unnatürlich kleingemachten Mund. »Wir haben uns das alles sehr genau selbst überlegt. Wir haben Euch doch geliebt.« – Da der König stutzte, mit einer blechernen Leierstimme, wie man etwas Eingelerntes hersagt: »Gerade deshalb hassen wir dich jetzt am meisten, denn du hast uns am meisten enttäuscht. Jeder von uns wäre jubelnd für dich gestorben, wärest du unser Führer, wir deine freien Soldaten geblieben. Aber du wurdest Tyrann, du tratest alles mit Füßen, was hellenisch war, zuletzt hast du von allen griechisch Gesinnten den Besten, unseren Kleitos, selber getötet. Tyrann – Tyrann –«, kreischte er, wobei er zappelte wie ein besessener Hampelmann, hellroten Schaum auf den Lippen. Sein Blick funkelte gelb, auf seinen Wangen flammte die Röte wieder; so krümmte er sich hysterisch.
In sein epileptisches Winseln schrie Alexander den Soldaten zu, daß sie ihn packen sollten. »Erwürgt ihn draußen!« rief er mit gewendetem Gesicht, denn wie der Gefesselte tanzte und sich schäumend bog, war ekelhaft anzusehen. »Aber schlagt ihn erst. Er hat eueren König beleidigt.«
Die Soldaten schleppten ihn fort, er hing, plötzlich leblos, in ihren Armen, lappenhaft, ein weicher Toter; nur zwischen seinen halbgeschlossenen Augenlidern phosphoreszierte es immer noch hellgrün.
Die Knaben standen unbeweglich und blaß, warteten stumm, was über sie verhängt werden sollte. Mancher zitterte am ganzen Körper, als würde er von einer großen Hand gebeutelt; andere hatten verbissene Gesichter, entschlossen, bis zum letzten mutig zu bleiben. Das hysterisch skandalöse Schauspiel, das Hermelaos ihnen geboten, hatte sie einerseits erschüttert, andererseits aber zur Besinnung gebracht: sie hatten sich anständiger zu benehmen.
Auf Alexanders breite, steinerne Figur schauten sie nicht anders als auf ein übernatürliches Wesen, das Gewalt über sie hatte, dem menschliche Regungen schwerlich zuzutrauen waren. Er war der Tyrann.
Der Tyrann winkte. Die Stimme, die von ihm kam, war nicht mehr zornig und hart, was die Knaben erschreckte; vielmehr schleppend, wie belastet von Schmerz.
»Geht!« sagte er langsam. »Ihr sollt nach Griechenland heim. Ich möchte euch nicht mehr sehen.«
Er sah die Reihe ihrer Gesichter vor sich, die Reihe dieser blassen, jungen, angststarren Gesichter. Ihn überkam Müdigkeit, Überdruß und das Gefühl großer Verlassenheit. Er wandte ihnen den Rücken, ging langsam fort.
Im Vorbeigehen sagte er zu Hephaistion: »Schick sie nach Hause. Ich mag sie nicht strafen, sie sind dumm.« –
Nur Kallisthenes wurde hingerichtet. Die Henker schnitten ihm Lippen, Nase, Ohren, Geschlecht und Hände ab, so lebte er noch wochenlang in einem Käfig, verwesend bei atmendem Leib.
Die Luft, die um Alexander wehte, wurde immer strenger. Keiner wagte sich ihm unbefangen zu nahen. Seit der entdeckten Pagenverschwörung zeigte er sich kaum noch ohne Begleitung von persischen Offizieren.
Die Orientalen, die ihn zugleich schmeichlerisch und gravitätisch umgaben, bestätigten ihm täglich, daß er Gottes Sohn war. Man konnte ihn allein nicht mehr sprechen, immer waren ein paar würdige und intrigante Vollbarte um ihn. Sie nannten ihn Sprößling des Amnon und sanken umständlich vor ihm zur Erde. Manchen gestattete er, ihn zu küssen, was für einen persisch erzogenen Hofmann die denkbar größte Ehre ausmachte. – Daß er die Proskynesis auch für seine hellenisch-mazedonische Umgebung einführte, machte ihm die meisten Feinde.
Wortführer der renitenten Partei war Philotas, der stets großsprecherisch gewesen war. Dem brünetten, nur zu temperamentvollen jungen Mann hatte sein Vater schon vor Jahren empfohlen: »Wolltest du dich nur etwas herabstimmen, mein Sohn.« Philotas stimmte sich keineswegs herab, im Gegenteil, er trieb es immer dreister.
Trotz etwas aufgeworfener Lippen war der stattliche Mensch beinah schön zu nennen. Für seinen schwarzbehaarten Athletenkörper schwärmten die Weiber. Die dunklen Haare wuchsen ihm die Arme hinunter bis zwischen die
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