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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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ineinander verknäulte Haufen ringender, blutender, sich sträubender, hinsinkender Leiber sah man unablässig vordringen den König; durch alle Säle, bis ins letzte Gemach. Er blieb an der Tür stehen, mit gereckter Waffe noch, ein Gebannter, als er Roxane einsam, aufrecht, gerüstet mitten im Raum stehen sah. Sie schaute ihm ruhig und feierlich entgegen, unter rötlich-silbrig emaillierten Lidern hatte sie grün-schwarze, tiefernste Katzenaugen.
    So schauen sich die an, die sich schon lange gekannt haben, ohne es nur zu wissen, und die mit einem großen Erstaunen plötzlich feststellen: wir gehören zusammen. Nur aneinander noch haben wir uns zu bewähren, wir sind uns vorbestimmt seit eh und je, unbedingt, unerbittlich. Wir haben nichts mehr zu tun, als aufeinander zuzugehen und uns die Hände zu geben, wenn wir‘s schon wagen.
    Sie gingen aufeinander zu mit kleinen, traumwandlerischen Schritten, wie Hypnotisierte sie haben. Als sie unversehens sich so nahe gegenüberstanden, daß sich fast ihre Stirnen berührten, erschraken sie beide. Sie wagten die Augen nicht voreinander niederzuschlagen, obwohl die Augen des einen dem anderen wehtaten.
    Die Hochzeit Alexanders mit der Königin Roxane wurde im Lager prunkvoll angerichtet. Alexander hatte den Soldaten das Ehrenwort abgenommen, die gesamte Begleitung seiner Gemahlin mit gewähltester Höflichkeit zu behandeln. Trotzdem wollte zwischen den Truppen und den gepanzerten Damen keine rechte Herzlichkeit aufkommen. Peinliche Zwischenfälle immerhin blieben vermieden, alles verlief würdig zeremoniell.
    Eine Damenabteilung geleitete Roxane zum Thron. Alle Damen gingen würdevoll, doch am würdevollsten die Bekränzte in ihrer Mitte. Man hatte die junge Königin köstlich herausgeputzt. Ihre Frisur schimmerte golden-violett von farbigem Puder, auch ihr Gesicht war von strenger Buntheit. Die ausrasierten Brauen wölbten sich majestätisch, darunter schienen die Lider noch kunstvoller emailliert als gewöhnlich. Am eindrucksvollsten war die lange, gebogene, feierliche Nase, die bläulich-weiß geschminkt, mit purpurnen Nüstern, groß hervorsprang. Der junge und scharfe Mund mit prachtvollen Zähnen, schmalen, blutroten, verführerisch festen Lippen lächelte starr. Wie sie auf den Thron zuging, klirrte alles an ihr, der Perlenkopfputz und das metallische Kleid. Ihr Lächeln schien auch zu klirren, so kalt, präzis, unerbittlich lag es auf ihrem schönen Gesicht. Vorm Thron angekommen, neigte sie die Stirn feierlich, während die Ehrendamen sich zu Boden warfen. Alexander bot ihr die Hand, daß sie zu ihm steige.
    Nachts, im Zelt, zeigte sie sich verändert. Sie hockte stumm auf dem Lager, Alexander lehnte von ihr entfernt. Sie hatte sich das vergoldete Haar in die Stirne gekämmt, darunter schauten ihre trauriggewordenen Katzenaugen.
    Alexander, aus dem Dunkel, sagte leise: »Deine Augen glühen in Ringen, Roxane. Ein roter, ein gelber und zu innerst ein schwarzer Ring –«
    Sie erwiderte mit einer beinah wehklagend flötenden Stimme: »Wäre ich doch erst Mutter deines Sohnes.« Plötzlich hochgereckt, glühend: »Daß ich mit ihm um die Wette kämpfen könnte. – Denn so bin ich«, schloß sie, wieder zurücksinkend, aber mit einem Triumph.
    Da Alexander im Hintergrund schwieg, als fürchte er sich, begann sie plötzlich von seiner Mutter zu sprechen. »Du siehst ihr ähnlich«, sagte sie, ihn nachdenklich prüfend. Dann sagte sie noch, sie hoffe, daß der Hochzeitssegen der Olympias bald ankommen werde. »Erst dann könnte ich wahrhaft deiner froh sein«, erklärte sie mit der flötenden Stimme.
    Alexander bewegte sich immer noch nicht. Der in allen östlichen Reichen hochberühmte Mund der Roxane, den niemand anders als fest geschlossen oder eisig lächelnd gesehen hatte, zitterte. Ihre Nase ragte rührend pathetisch in dem weichgewordenen und bereiten Gesicht. Von ihrer Stirn kam ein sanftes Leuchten, auch von den silbrigen Augenlidern, die sich schlossen. Sie kniete mit gebeugtem Nacken, eine Demütige. Die Arme, die Pfeile geschwungen hatten, hingen wehrlos. Ihr Körper und ihr Gesicht verklärten sich zärtlich in Erwartung des Gatten und Helden.
    Alexander hob die Hände nach ihr; aber er stand zu entfernt, er erreichte sie nicht. Er dachte, die Stirn glühend vor Scham: »Welches Gesetz verbietet mir, sie anzufassen? Habe ich das Recht auf die eigene Hochzeitsnacht verwirkt, weil man mich dazu bestimmt und gesegnet hat, eine größere Hochzeit

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