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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Indien nie, was heilig war und wo man sich versündigte. Die Götter mochten wissen, welche reizbaren Gewalten in diesen Obstbäumen zu Hause waren. »Aber schließlich«, meinten die hellenischen Soldaten beleidigt, »auch in unseren Bäumen wohnen Gottheiten, und sie prügeln nicht gleich, wenn man mal etwas abpflücken will.«
    Manchen war auch Hübsches widerfahren. So dem jungen Ritter, der auf dem Gipfel eines Berges den leuchtenden Palast gesichtet hatte. Zweitausend aus Saphir hergestellte Stufen führten hinauf; oben entdeckte er: ganz aus Edelsteinen war der Palast, daher sein Glänzen. Er drang ein, teils, weil er rauben wollte, teils, weil eine unvergleichlich innige und herzerweichende Musik ihn lockte. Das sei eine Musik gewesen, berichtete der Kavalier, ein Schmelzen und Flöten, ein Liebeswerben, wie wenn ein Weib girrt. Alle Türen seien festlich aufgesprungen, sogar die Glocken – goldene Glocken – hätten zu seinem Empfang reizend geläutet.
    Im Innersten des Palastes, wo die Musik am buhlerischsten wurde, fand er eine zauberische Prinzessin aufgebahrt, purpurn zugedeckt, Edelsteine an den Füßen, an den Handgelenken und im mattschwarzen Haar. Nur schien es, daß die Aufgebahrte tot war, sie atmete nicht. Dafür ging Musik von ihr aus; kein Zweifel, die Töne strömten aus ihrem ruhenden Körper, so berauschend, daß der Reitersmann die Augen schließen mußte.
    »Ihr ahnt nicht, in was für Abgründe ich da versank«, erzählte er, noch nachträglich verzückt, den Kameraden. »Das läßt sich mit nichts anderem vergleichen, so eine verwirrend angenehme Höllenfahrt. Wißt ihr, wie ich erwachte? Eine kalte, zarte Hand faßte mich an – : zart, könnt ihr euch vorstellen, aber eisig kalt. Als ich die Augen aufschlug, hatte die Prinzessin sich aufgerichtet, wie sich Tote aufrichten, starr. Sie griff nach mir, sie hatte mich schon beinah zu sich gezogen. Was für ein wundervoller Tod das in ihren Armen gewesen wäre! – Wie riß ich mich von ihr los, wie kam ich die edelsteinernen Treppen hinunter? Es sang doch so magisch hinter mir drein. – Den Druck dieser süßen Zauberhand vergesse ich nie«, schloß er träumerisch; alle merkten, daß er heimlich bereute, diesem Drucke nicht gefolgt und so den wundervollen Tod in ihren Armen versäumt zu haben. –
    Der junge Blonde, mit dem sie zärtlich, wie mit einem Kinde waren, wußte wieder das Reizendste. Auch in seiner Geschichte kam Musik vor; sie handelte auch von Mädchen, aber von vielen, und sie waren lebendig. Freilich lebten und gediehen sie anders als von den irdischen Mädchen die Mehrzahl. Man fand sie in einem Walde; wieder war es Gesang, der führte. Aber dieses Mal kein üppig buhlerischer, vielmehr plätschernd klarer, »wie ein Gebirgsquell«, sagte der junge Blonde, lächelnd über der Erinnerung. Die Mädchen, zeigte sich, wohnten in Blumenkelchen, sie waren an die Blumenkelche gebunden, mit ihnen verwachsen. Doch das beengte sie nicht, sie freuten sich ihres Daseins.
    Sie selber waren blütenhaft zart, weiß und ganz durchsichtig; übrigens nackt, mit winzig kleinen, spitzen und reizenden Brüsten. Sie lachten sich zu, sie scherzten, spielten, spaßten miteinander, sie sangen und warfen Bälle. Den jungen Fremden empfingen sie mit Freudenruf und Gezwitscher.
    »Ich war drei Monate und zwölf Tage bei ihnen«, sagte der Blonde still und beseligt; – alle wußten, daß er nur zwei Tage fortgewesen war, aber sie nickten dankbar, weil seine junge und gefühlvoll verschleierte Stimme ihnen angenehm war –; »es war in meinem ganzen Leben die glücklichste Zeit. – Und wird es bleiben«, schloß er wehmütig.
    Er berichtete auch, aber tränenerstickt, wie seine freundlichen Wundermädchen zu Tode kamen. »Sie können nur in der Sonne atmen, den Schatten vertragen sie nicht. Ach, wie die Schatten der Bäume immer näher krochen, und sie wurden immer bleicher und bekümmerter. Sie lachten nicht mehr, manch eine klammerte sich angstvoll an mich –«
    So schloß auch das Abenteuer des jungen Blonden nicht heiter.
    Aber die, welche nach Hause kamen und behaupteten, am Ende der Welt gewesen zu sein, ließ Alexander selber in sein Zelt kommen.
    Er ruhte, als die beiden Fußsoldaten schwerfällig eintraten, im Hintergrund auf dem Lager; aus dem Halbdunkel schaute er sie mit seinem saugenden, zugleich weichen und befehlshaberischen Blick an: »Ihr behauptet, am Ende der Welt gewesen zu sein?«
    Die Soldaten murmelten und

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