Alexander
drei Greisen? Noch ein wenig länger Tiefschlaf in ihrer Mitte, und er wäre vielleicht nie wieder aufgestanden.
Denn das Meer war schon nahe, als er mit letzter Anstrengung die Augen aufmachte. Er merkte, daß ihn fror, das brachte ihn zu sich. Es war kalt geworden, außerdem regnete es. Über den Bäumen, die in Dunkelheit standen, rauschte leise das Wasser.
Erst glaubte Alexander, er sei allein; dann bemerkte er, daß die Greise, ein paar Meter von ihm entfernt, alle drei nebeneinander an einem Baum hockten; ihre Augen hatten in der Dunkelheit mattes Leuchten, wie feuchtes Holz.
Sie winkten kindisch, da der König aufsprang und sich schüttelte. Der fühlte sich wie von einer Hypnose befreit. Diese drei konnten unter ihren verkrusteten Bärten nichts mehr, als lallen.
Dabei sagten sie ihm ihre beste und endgültigste Weisheit erst jetzt.
»Wer in allen Wesen sich und sich in allen Wesen sieht, der geht, nicht aus einem anderen Grund, in das höchste Brahman ein –«
Ihre Stimmen hatten keine Verführungskraft mehr, sie waren nur noch warnend und schwach. Alexander stürzte schon fort, wobei er heftig Zweige auseinanderbog, Blumen und kleine Tiere zertrat.
Mit schmerzlich glimmenden Augen sahen die drei Greise ihm durch die Regennacht nach, wie er die Kreatur beleidigte und sich entfernte vom Pfade der Erkenntnis, der Wonne und der Erlösung.
Der Hauch, an dem Alexander gefrevelt hatte, rächte sich: als er mit seiner Armee am Hydaspesstrom der Macht des Fürsten Poros gegenüberstand, wüteten Wolkenbruch und Orkan. Gegen den Eindringling wehrte sich die empörte Natur.
Der angeschwollene Fluß ließ seine Wasser toben und brüllen, der Regen blendete die Augen, schlug ins Gesicht; sogar die Elefanten schienen, über ihre Pflicht hinaus, aus persönlicher Aufgebrachtheit grausam und wild.
Ihrer waren es zweihundert, je fünfzig Schritt voneinander entfernt beherrschten sie beinah eine Meile Terrain. Wenn sie trompeteten und mit den Rüsseln schlugen, wichen die mazedonischen Pferde in voller Panik zurück. Die Fußsoldaten, die sich in die Nähe der rabiaten Riesen wagten, wurden gleich von den Fangzähnen durchbohrt; oder vom Rüssel gepackt, hochgeworfen, zerstampft.
Auf dem größten Tiere saß Poros, der auch der größte Mann war; über dem weißen Kleide sah sein Gesicht schwarz aus, mit dicken Lippen, goldenen Augen, beinah negerhaft. Obgleich diese zugleich finsteren und leuchtenden Augen blicklos schienen, zielte der Fürst mit fürchterlicher Genauigkeit. Jeder seiner langen und vergifteten Pfeile fuhr einem griechischen Soldaten zwischen die Rippen oder in die Kehle. – Poros zielte auch noch, als er schon aus vielen Wunden blutete. Aus dem Leib seines Herrn, der unempfindlich, wie bronzen war, zog mit seinem Rüssel der Elefant die Pfeile und Geschosse der Feinde.
Die Schlacht blieb länger unentschieden als irgendeine andere, bei der Alexander Führer gewesen. Seine Soldaten versanken fast im aufgeweichten Boden. Sie kämpften gleichzeitig gegen den Feind, gegen den Sumpf, der sie am Stürmen hinderte, gegen den unaufhörlichen Regen, der ihren überanstrengten Gesichtern wehtat, ihre Nerven folterte, gegen die Elefanten, deren quälender Trompetenlärm ihre Pferde scheu machte, deren Zähne und Rüssel gefährlicher als alle Waffen waren und einen schlimmeren Tod brachten.
Hätte Alexander einen Augenblick lang nachgegeben, es wäre die entscheidende und endgültige Niederlage geworden. Sein Beispiel, das übermenschlich war, rettete. Endlich wichen die Inder. Der Elefant des Fürsten Poros sank, da gaben auch die anderen Elefanten alles verloren.
III
Seit langem schon ging im Lager ein Geraune und Geschwätze über die märchenhaften Reichtümer einer indischen Königin, die Kandake hieß. So herrschte eine gewisse Genugtuung, als endlich ihre Gesandtschaften vor Alexander erschienen.
Die Pracht, mit der sie auftraten, bestätigte alle Gerüchte, die über den schweren Reichtum dieser Fürstin in Umlauf waren; vor allem aber die Geschenke, die man in feierlicher Prozession am Mazedonenkönig vorbeitrug. Da gab es goldene kleine Gottheiten mit diamantenen Augen, auch solche aus Elfenbein; in Käfigen aus feinem Metall fünfhundert Vögel von der buntesten Sorte, die singen, aber auch plappern konnten, Sittiche und Sphingen. Schwarze Sklaven, halb nackt, führten an bunten, hübsch geflochtenen Leinen gezähmte Tiger, Löwen und Leoparden, die nach der Wildnis rochen und in
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