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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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und Figuren kamen ihm aus einem träumerischen Blau entgegen.
    Was die drei Greise gelehrt hatten, wurde auf unentrinnbar süße Art lebendigstes Abenteuer. Bei ihnen war Flucht möglich gewesen; hier war es dafür zu spät.
    Der Kampf des Ichs galt nicht mehr, welche Seligkeit, sich fallen zu lassen. Vor allem galt die Tat nicht mehr, wenn die Tat etwas war, dann Sünde. Sie entfernte von der Erkenntnis; aber mit den verführerischen Traumgesichten strömte aus der bewegten Dunkelheit Erkenntnis auf ihn ein, freilich eine sehr ungenaue und allgemeine, doch war es die, die zum Innersten des Weltalls führte, das die ahnungsvollen Inder Brahman nannten.
    »Nicht du, weil nicht du – doch du schon, oh, wie sehr –«, gurrte mit Kehlkopflauten über ihm Kandake. Er sank kraftlos in ihre weite Umarmung, die sich kühl und weich um ihn schloß.
    »Sie hat mir den indischen Liebestrank eingegeben«, dachte, während die Sinne ihm schwanden, der benommene Alexander. »Mit dem hat die Königin Kandake schon den Herakles und den Dionysos besiegt –«
    Sie bat ihn, die Silbe Om zu sprechen; er tat es, denn er wollte dem großen Rausche der Erkenntnis so nahe wie möglich kommen. »Om – Om – Om – Om –«, lallte er monoton, hundertmal. Er verlor das Bewußtsein, mit dem er sonst lebte; dafür näherte er sich einem anderen, grenzenlosen, von dem er ein Teil ohne Namen wurde.
    Auflösung in den Wind, hieß die Lehre; zum Bestandteil werden, zur Ruhe kommen –
    Wie endete dieses unmoralische Märchen, das die Seligkeit des aufgegebenen Bewußtseins bot! Kam nicht ein groteskes Nachspiel, an das man sich später nur noch ungenau erinnerte?
    Einer drang ins Gemach, es war der jüngere Sohn Kandakens, Karakter. Was wollte er? Es schien, daß er ein Freund des besiegten Fürsten Poros war, denn er wollte, diesen zu rächen, den General des Alexander töten. Floß Blut, oder wäre es nur beinah geflossen? Breitete die Königin ihre Arme, klirrte Metall, stürzte Kandaulus herbei, den bedrohten Fremdling zu retten, der sich augenscheinlich selbst nicht wehren konnte?
    Wie entkam man? Wie empfing einen die kühlere Nacht? Und wie erreichte man das Lager, das Zelt, wo der verkleidete Alexander niedersank, beseligt, weil zum erstenmal besiegt?
    Am nächsten Morgen erwachte Alexander mit schmerzhaften Gewissensbissen. Was er sich gestern nacht gestattet hatte, war gerade das gewesen, was er sich niemals hätte gestatten dürfen.
    Vor allem Hephaistion gegenüber fühlte er sich schuldig: hatte er nicht seinen Namen und seine Freundschaft abscheulich mißbraucht? Gerade deshalb ärgerte ihn der stille Vorwurf, mit dem der andere ihm begegnete; er machte ihn trotzig.
    »Ich habe mich unbedingter denn je auf mich selbst zu besinnen«, sagte er sich mit Härte.
    So berief er die Heeresversammlung, um ihr mitzuteilen, was sein Wille sei. »Wir ziehen weiter«, erklärte er in kurzer und merkwürdig aufgebrachter Rede. »Uns erwartet noch der ganze Orient: das Ganges-Land mit beispiellosen Schätzen, dahinter China, dahinter das
    Ende der Welt. Die Grenzen dieser Erde werden unseres Reiches Grenzen sein. Wir haben noch viel zu erobern.«
    Er sprach enthusiastisch wie je, auch sein Blick strahlte; aber die instinktsicheren Truppen merkten, daß er entkräftet war. Dies Leuchten seines Blicks war fiebrig, er reckte sich mit übertriebener Geste. So wagten sie Widerspruch, Murren antwortete seinem Vortrag.
    Noch weiter? Immer noch nicht nach Haus? Was kümmerte sie das Ende der Welt? Sie murmelten, daß sie genug gesehen hätten. Was ginge sie der Ganges, und was China an?
    Er schrie wütend: »Wer spricht hier?« Da antworteten sie alle zusammen: »Wir – wir – wir!«
    Daß die Gemeinschaft, die er als dumpf verachtet hatte, jemals starker sein könnte als er, der Einzelne, der die Passion und den Willen hatte, schien ihm unglaublich. Was er hier, angesichts dieser unbotmäßig johlenden Menge, erlebte, bedeutete ihm die direkte Bestrafung für die unerlaubte Lustbarkeit, die er sich die Nacht vorher gegönnt hatte.
    So widersprach er nicht mehr, zog sich wortlos in sein Zelt zurück, um nicht mehr zum Vorschein zu kommen.
    Diesmal merkten die Soldaten, daß sie die Stärkeren waren, sogar, daß er sich ihnen drei volle Tage nicht zeigte, ertrugen sie. Er mußte nachgeben, verzichten, sich ihnen fügen. Das war beispiellos, er tat es mit knirschenden Zähnen.
    Der Hyphasisstrom, der für neue östliche Züge Ausgangspunkt

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