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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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hätte sein sollen, wurde der Endpunkt. Hier wendeten sie.
    IV
    Auf den Flüssen sahen die frommen und geduldigen Einwohner, die auf den Reisfeldern arbeiteten, Schiffe, die mit bunten Segeln überraschend wirkten. Sicher waren es ihrer tausend. Manche waren als Kriegsschiffe bedrohlich eingerichtet, andere unbedeckt, zum Transport der Pferde. Alle, die in den Schiffen wohnten, mußten bewaffnet sein, man hörte Klirren von Schwertern, Lanzen und Schildern.
    So zog die wilde Jagd, die teuflisch Unglück bringende, bunt und klirrend die Ströme hinunter, dem Meere zu. So rasselten sie, die Nichts-als-Bösen, dem Ozean entgegen, der sie verschlingen mochte. Die frommen und geduldigen Einwohner schauten von ihren Reisfeldern aus schauerlich berührt hinter ihnen drein; sie legten die Hände als Schirm vor die Augen und wendeten entsetzt die bräunlichen, sanften Gesichter.
    Sie wußten von so viel Fürchterlichem, was diese blutrünstigen Gesellen im großen und friedlichen Lande ringsum angerichtet hatten. Wieviel gute Elefanten waren an ihren vergifteten Pfeilen gestorben. – Kopfschüttelnd sahen die Frommen und Arbeitsamen in ihren weißen Hemden den Schiffen nach, die stromabwärts schwankten. Manchmal hüpften und bebten sie, daß es gräßlich wurde anzusehen; das war, wenn sie über Strudel und Stromschnellen fuhren; aber sie kamen immer wieder davon. Diese mußten übernatürliche Kräfte haben.
    Ihr junger Führer war ohne Frage ein Göttersohn, nur ein böser. Man erzählte sich, daß er mit den Augen töten könnte. Seine Augen hatten ein todbringendes Leuchten, sie schienen aus kreisenden Ringen zu bestehen – aus roten, grünen und schwarzen. Es mußte grauenhaft sein.
    Wenn man ihn zu haben glaubte, entwich er mit Lärm und Zaubergewalt; so war es zum Beispiel in der Hauptstadt der Maller vorgekommen. Dort war er plötzlich von der Stadtmauer mitten auf den Marktplatz geflogen, wo man ihn umringte und ihn zu überwältigen dachte. Er aber knirschte mit den Zähnen, daß es klang, als schlüge man fünfzig Schilder gegeneinander, er funkelte, spreizte sich, tötete einige mit den Augen, flatterte scheußlich davon.
    Diese Geschichte hatte sich, von der malischen Hauptstadt aus, im ganzen Lande verbreitet. Ein böser Gott, ohne Zweifel. Seitdem wagte niemand mehr, ihn anzugreifen, obwohl manche dazu rieten, vor allem die Priester. Denn sie waren es, die ihn besonders haßten. Sie beschworen vergeblich das Volk, ihn zu strafen und zu überfallen; es fürchtete sich.
    Alexander gelangte mit seiner Flotte ungehindert die großen Ströme hinunter, zum Meer.
    Die Soldaten besprachen sich abends am Feuer.
    »Alexander hat die Fahrt in diesen unbekannten Ozean fast alleine gewagt. Nur ein paar Matrosen sind bei ihm.«
    »Was sucht er im Ozean?«
    Es war der junge Blonde, der antwortete: »Er sucht das Ende der Welt.« Sie nickten erschüttert.
    »Er wird mit Ungeheuern kämpfen müssen«, meinte einer. »Es soll Meerdrachen geben.«
    »Aber er ist stärker als sie«, beschloß vertrauensvoll der junge Blonde.
    »Dieses Meer ist anders als alle anderen Meere. Es ist das Weltmeer. Kein Grieche noch hat es befahren.«
    Und wieder der junge Blonde, mit einer Stimme, so hell, daß alle sich nach ihm hindrehten: »Er ist mehr als ein Grieche. Sein Vater, der in der Oase haust, wird ihm helfen, daß er übers Wasser wandeln kann.«
    Sein Gesicht strahlte vom Glauben so sehr, daß sie alle hinüber zum Ozean schauten. Sie glaubten ihren König, hinten am Horizonte, wandeln zu sehen.
    Demselben Horizonte reiste Alexander entgegen. Nach zwei Tagen baten die Matrosen, umkehren zu dürfen, der Proviant würde knapp; er aber schüttelte den Kopf: »Wir sind dem Horizont noch nicht näher gekommen.« Sie berieten sich flüsternd: Ob wir gegen seinen Willen das Schiff wenden? Aber da sah er sie an, bis sie merkten, daß sein Schmerz, sein Zorn und seine unerbittliche Neugierde schlimmer und gefährlicher waren als alle Unruhen dieses Meeres.
    Er stand am Bug, die Hände auf den Rücken gelegt, mit der trotzig gesenkten Stirn, als stemme er sie gegen eine undurchdringliche Wand. So starrte er hinaus und hinüber zum Horizont.
    Der änderte die Farbe; das nützte nichts, denn er kam nicht näher. Von blauer Tiefe erblaßte er zum Perlmuttergrau; er verfinsterte sich, verbarg sich im wogenden Schwarz, um nach den trostlosen Stunden des Wartens seine kalte, hellblaue Linie wieder aufsteigen zu lassen. Aber er war nicht näher

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