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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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sanften Winke zu geben brauchte.
    Im Haine von Pasargadai war das Grab des Kyros arg vernachlässigt, wie sich bald herausstellte, sogar beraubt. Dieses nahm der König zum Anlaß, fürchterliches Strafgericht zu halten. Magier wurden peinlich ausgefragt und gefoltert, allerorts Verdächtige verhaftet. Grausamer hätte kein Achämenide den Frevel ahnden können; Alexander fühlte sich bewußt als ihr Nachfolger.
    Der als Freiheitsbringer und vielgeliebter Erlöser den Ländern erschienen war, kam nun nicht anders denn eine Heimsuchung. Aus seinem größer und flächiger gewordenen Gesichte war der Glanz verschwunden, er war fort, mit ihm die Jugend. Der König schien, in den wenigen Jahren der baktrisch-sogdianischen und der indischen Züge, erstaunlich gealtert. Er war nicht mehr elastisch und weich, sondern schwerfällig, dabei aber hart. – Vor seiner Ankunft flohen die Beamten, denn er verurteilte sogar manche, die sich nicht besonders schuldig gemacht hatten. Große Laxheit der Sitten war überall eingerissen, während der Gefürchtete im Märchenland Eroberungen machte. Nicht jeder fühlte sich gleich als Verbrecher, der hier etwas veruntreut, dort ein wenig zu viel eingetrieben hatte. Derlei war unter dem entfernten Alexander üblich geworden, wie es unter dem nahen Dareios Kodomannos üblich war.
    Gar zu unverfroren freilich hatte der lahme Harpalos es getrieben. Diesem vergnügungssüchtigen und eitlen Menschen den Staatsschatz anzuvertrauen, war von Alexander ein Experiment gewesen, das man als leichtsinnig bezeichnen durfte. – Da der Schatzmeister die Orientalinnen zu träge fand, ließ er sich aus Athen eine der bestbezahlten Kokotten holen; sie hieß Pythionike und war eine magere Person von gepfefferten Reizen. Mit ihr veranstaltete er so extravagante Orgien, daß ihre angegriffene Gesundheit es nicht ertrug; während einer besonders solennen Festlichkeit starb sie, man baute ihr ein Grabmal von unschätzbarem Wert. Nachfolgerin durfte keine Geringere als Kokotte Glykera sein, jede andere wäre zu billig gewesen. Diese mußte man gleich von vornherein als Königin anbeten, Harpalos tat es nicht anders. Die Feste, die er ihr gab, boten noch ausgefallenere Genüsse als jene, bei denen Madame Pythionike präsidiert hatte, so toll hatte man es nicht einmal am Hofe des Großkönigs getrieben.
    Als die Kunde vom Nahen Alexanders bis Babylon kam, machte der Schatzmeister sich auf und davon, mit sich nehmend: seine Glykera, fünftausend Talente in Gold und ein dreijähriges Töchterlein, das ihm noch von der Pythionike verblieben. Er wandte sich zunächst an die ionische Küste.
    Seine stattlichen Geldmittel verwendete er dazu, Söldner zu mieten, und zwar sechstausend Mann. Mit ihnen erschien er eines Tages in Athen, wo er auch, auf besondere Fürsprache des alten Demosthenes hin, zunächst bleiben durfte. Allerdings nur, bis Alexander mit allem Nachdruck seine Verhaftung forderte. Da ließ man ihn laufen, denn im Gefängnis wollte man einen so bewährten Feind des Königs nicht haben. Der lustige und umgetriebene Mensch endete in Kreta, wo ihn sein Busenfreund, der Spartaner Thibron, ermordete, wahrscheinlich um in Besitz der paar Talente zu kommen, die nach all den hochstaplerischen Fahrten vom ganzen Diebstahl übriggeblieben waren.
    Erst nach seinem Tode rückte er wahrhaft in den Mittelpunkt des Interesses, denn nun wucherte um seinen Namen der Skandal so üppig, wie er sich‘s nur hatte wünschen können. Athen hatte einmal wieder seine ganz große Affäre, diesmal war sogar Demosthenes angeklagt. Es nutzte nichts, daß der pathetische alte Fuchs, das Volk zu rühren, seine Kinder vors Tribunal schleppte, um schluchzend auf sie zu weisen: man blieb dabei, daß er, der so viele Jahrzehnte lang vor Bürgertugend mit der Stimme gezittert hatte, von dem Abenteurer Harpalos bestochen worden sei; warum hätte er sonst die Aufnahme des Defraudanten in Athens Mauern so herzlich befürwortet, eine falsch angebrachte Menschenfreundlichkeit, die politisch die fatalsten Folgen zeitigen mußte. Dem geübten alten Hexenmeister half sein ganzes Aufgebot an großen Gebärden, Schwüren, Tränenausbrüchen nichts mehr, man steckte ihn ungerührt in den Kerker; ließ ihn allerdings am nächsten Tag entwischen. Mit ihm wurden viele andere verhaftet, lauter hochangesehene Herren. Solche Sensation war dem Straßenpöbel schon lange nicht beschieden gewesen, man war dem flotten Schatzmeister übers Grab hinaus

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